„Eins, zwei, drei, vier – gute Pflege wollen wir!“

Saarbrücken · 600 Klinik-Beschäftigte haben bei einem Protestmarsch durch Saarbrücken für eine Entlastung des Pflegepersonals demonstriert.

 Vergissmeinnicht-Samen als Erinnerung an die Wahlversprechen haben Pflegekräfte gestern am frühen Morgen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU, rechts auf dem linken Foto) und anderen Spitzenpolitikern am Flughafen überreicht. Mittags zogen die Demonstranten durch die Saarbrücker Innenstadt – über die alte Brücke – zum Landtag. Fotos: Becker & Bredel

Vergissmeinnicht-Samen als Erinnerung an die Wahlversprechen haben Pflegekräfte gestern am frühen Morgen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU, rechts auf dem linken Foto) und anderen Spitzenpolitikern am Flughafen überreicht. Mittags zogen die Demonstranten durch die Saarbrücker Innenstadt – über die alte Brücke – zum Landtag. Fotos: Becker & Bredel

"Mehr von uns ist besser für alle", "Normalzustand gefährdet Patienten" und "Entlastung für die Pflegekraft - scha la la la! Entlastung für die Pflegekraft - schaaaaa la la la la la" rufen und singen gestern rund 600 Krankenhausmitarbeiter zu rhythmischen Trommelschlägen bei ihrem Protestmarsch durch die Saarbrücker Innenstadt. Die Gewerkschaft Verdi hatte die Mitarbeiter von zwölf der 22 saarländischen Kliniken zum Warnstreik aufgerufen, um ihren Forderungen zur Entlastung der Pflegekräfte mehr Ausdruck zu verleihen. Die Träger dieser Kliniken wollen mit Verdi nicht über eine Entlastung der Beschäftigten verhandeln. In den SHG-Kliniken in Völklingen, Merzig und Sonnenberg, dem Klinikum Saarbrücken sowie dem Kreiskrankenhaus St. Ingbert wurden laut Verdi Notfallpläne aufgestellt, in Merzig sogar Operationen verschoben.

Bereits um 5 Uhr hatten 50 Pflegekräfte am Flughafen in Ensheim demonstriert, um die Spitzenpolitikern - darunter Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Vize-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) - auf ihrem Weg nach Berlin an ihre im Wahlkampf zugesagte Unterstützung zu erinnern. "Wir haben ihnen Tütchen mit Vergissmeinnicht-Samen mit auf den Weg gegeben", sagte Verdi-Sekretär Michael Quetting, "alle Parteien im Landtag wollen die Pflegesituation verbessern. Daran werden wir die Politiker messen."

Verdi fordert neben einer gesetzlich festgeschriebenen Zahl, wie viele Pflegekräfte pro Station benötigt werden, auch verlässliche Arbeitszeiten und einen bezahlten Ruhetag nach dem Bereitschaftsdienst. Zudem dürfe keine Pflegekraft im Nachtdienst allein für 40 Patienten verantwortlich sein. "Wird dies nicht eingehalten, muss es auch Konsequenzen geben: Wer nicht ausreichend Personal hat, darf dann auch keine Betten belegen", ruft Quetting unter Applaus. Er bezeichnete es als "Durchbruch", dass das Homburger Uniklinikum vergangene Woche Verhandlungen über Entlastungen mit Verdi ab April zugestimmt habe. Auch die katholischen Träger - die Caritas Trägergesellschaft Saarbrücken (cts) und die Marienhaus-Gruppe - sowie das Deutsche Rote Kreuz wollen mit Verdi sondieren. "Wir haben ein Loch in die Blockadehaltung der Arbeitgeber gebrochen", freute sich Quetting.

Die Gespräche sind unter den Klinikträgern umstritten: Die Saarländische Krankenhausgesellschaft ist der Meinung, dass sie nicht weiterführen. Die kommunalen Arbeitgeber argumentieren, dass Tarifverhandlungen ausschließlich Sache der Bundesebene, also der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände seien. "Es ist egal, ob über der Vereinbarung Tarifvertrag oder Honigkuchenvertrag steht: Hauptsache es gibt rechtsverbindliche Verträge aus denen Entlastung für das Personal erfolgt", entgegnet Quetting. Gestern waren auch die kirchlichen Klinken in Lebach und Wallerfangen zum Warnstreik aufgerufen. Doch hier nahmen nur vereinzelt Mitarbeiter teil. "Die Arbeitgeber bauen hier massiv Druck auf und drohen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen", ärgert sich Quetting. Ihn ärgere es, dass sogar behauptet werde, es gebe für sie kein Streikrecht: "Das ist eine Lüge!".

Unter den Demonstranten - überwiegend Frauen - ist auch Katja Kalmes-Zimmer vom Knappschaftsklinikum Sulzbach. "Ich habe 1983 meine Ausbildung begonnen und sehe daher die Unterschiede. Früher gab es auch sehr viel zu tun, aber es blieb mehr Zeit für die Patienten", sagt die Pflegefachkraft, "es fehlt das Menschliche, auch mal ein gutes Wort für den Patienten oder ihm einfach Mal fünf Minuten zuhören zu können." Auch Jana Kinkler und Katrin Maurer, die im dritten Ausbildungsjahr zur Pflegefachkraft am Knappschaftsklinikum Püttlingen sind, spüren den Druck: "Es gibt unter den Pflegekräften viele Krankenscheine, man ist einfach überfordert", schildert Kinkler.

Spätestens am 12. Mai, dem Tag der Pflegekräfte, soll es wieder Aktionen geben. Dann kann es wieder durch die Straßen schallen: "Eins, zwei, drei, vier - gute Pflege brauchen wir!"

Zum Thema:

An diesen Kliniken wurde gestreikt Klinikum Saarbrücken, SHG-Kliniken Völklingen, Merzig und Sonnenberg, Kreiskrankenhaus St. Ingbert, Diakonie-Klinikum Neunkirchen, Fliedner-Krankenhaus Neunkirchen, Evangelisches Stadtkrankenhaus Saarbrücken, Caritas-Krankenhaus Lebach, Sankt-Nikolaus-Hospital Wallerfangen, Knappschaftskliniken Püttlingen und Sulzbach.

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