Eine Wiederkehr nach Reisbach

Reisbach. "Schwindling ist mein Name, Moritz Schwindling. Ich bin 84 Jahre alt und war als Soldat für kurze Zeit in Reisbach stationiert. Ich will Reisbach noch einmal besuchen." So meldete sich Moritz Schwindling bei mir. Kurz und knapp, mit fester Stimme. "Ich habe Ihre Telefonnummer von der Rektorin Ihrer Grundschule

 Moritz Schwindling (links) und Ortsvorsteher Heinrich Bauer besuchen das "große Gebäude in der Hauptstraße", an das der Gerolsteiner sich erinnerte. Foto: SZ/Bauer

Moritz Schwindling (links) und Ortsvorsteher Heinrich Bauer besuchen das "große Gebäude in der Hauptstraße", an das der Gerolsteiner sich erinnerte. Foto: SZ/Bauer

Reisbach. "Schwindling ist mein Name, Moritz Schwindling. Ich bin 84 Jahre alt und war als Soldat für kurze Zeit in Reisbach stationiert. Ich will Reisbach noch einmal besuchen." So meldete sich Moritz Schwindling bei mir. Kurz und knapp, mit fester Stimme. "Ich habe Ihre Telefonnummer von der Rektorin Ihrer Grundschule. Die hatte ich zunächst angerufen, weil die Schule von Reisbach mir in Erinnerung geblieben war."Noch im gleichen Telefongespräch versprachen wir uns, dass wir in Kontakt bleiben wollen. Eine Woche später meldete er sich wieder und kündigte einen kurzen Besuch in Reisbach an. Vor wenigen Tagen wartete ich auf den Gast. Kurz nach elf Uhr klingelte es an der Tür und Moritz Schwindling, ein rüstiger Rentner, stand davor. Unterm Arm sein Tagebuch, Aufzeichnungen, Bilder und andere Belege aus seiner Soldatenzeit.

Von Trier nach Merzig

Zunächst erzählte er über seine Einheit. Er gehörte der 2. Batterie der schweren Artillerie Ersatz- und Ausbildungsabteilung mot. 456 an. Am 31. August 1944, knapp 18-jährig, rückt er mit seiner Einheit aus Mannheim aus in Richtung Trier. Oft werden - nach nur wenigen Tagen - die verschiedenen Stellungen im Großraum Trier eingenommen und wieder aufgegeben. Von Trier geht es in den Raum Merzig. Dort hat die Einheit die ersten Feindberührungen und die ersten Verluste.

Am 26. November beginnen die seit Tagen erwarteten amerikanischen Angriffe. Ende November verlegt die Abteilung in den Orscholzriegel. Am 1. Dezember 1944 wird Moritz Schwindling zum Gefreiten befördert. Knapp 14 Tage später erfolgt der Stellungswechsel in den Raum Saarwellingen. Am 15. Dezember werden Angriffe im Raum Fraulautern und Ensdorf abgewehrt.

In den folgenden Tagen lässt das feindliche Artilleriefeuer merklich nach. Wahrscheinlich werden Soldaten zur Ardennen-Offensive abgezogen, die am 21. Dezember beginnt. Am 24. Dezember befindet sich die Feuerstellung der 2. Batterie in einem Stollen in der Nähe von Saarwellingen. Nach Weihnachten kommt dann der Befehl zum Stellungswechsel in den Raum Pirmasens. Am 30. Dezember trifft die Einheit im Raum Pirmasens ein. Dort werden sofort neue Feuerstellungen bezogen. Es wird nichts aus einem erhofften ruhigen Silvesterabend und Neujahrstag 1945.

Am 1. April erfolgt dann eine Neuaufstellung der Einheit im Raum Eppingen (Baden). Die Einheit muss immer wieder vor dem Feind zurückweichen. Anfang Mai werden die verbliebenen Angehörigen der Einheit in der Nähe von Traunstein (Bayern) von amerikanischen Soldaten gefangen genommen und ins Gefangenenlager Bad Aibling gebracht.

Dauerfeuer bei Pachten

Als Kraftfahrer in der Einheit verlegte Moritz Schwindling mit seiner Zugmaschine, ein Sonder-Kraftfahrzeug mit kombiniertem Ketten/Rad-Antrieb, die Feldhaubitzen vom Kaliber 10,5- und 15,0 Zentimeter samt Mannschaft und Munition auch in schwierigem Gelände in ständig wechselnde Stellungen. Seine Kameraden unterstützen die deutschen Bunkerbesatzungen entlang der Saar und feuerten aus Stellungen östlich von Saarwellingen.

Er erinnert sich, dass die Geschütze seiner Kompanie Mitte Dezember 1944 mit Dauerfeuer die Saarüberquerung der Amerikaner bei Pachten störten. Seine Zugmaschine hatte er in Reisbach neben einem großen Gebäude in der Hauptstraße des Ortes geparkt, erinnert sich Schwindling.

Im lockeren Gespräch erzählt er mir noch die eine oder andere Begebenheit. So zum Beispiel, dass ein hübsches, junges Mädchen aus Reisbach ihm an Weihnachten die Dienstgradabzeichen des Gefreiten an seine Uniforme nähte. Wer das Mädchen war, und in welchem Haus das geschah, weiß er nicht mehr. Oder, dass er einmal auf der Rückfahrt zwei im Gefecht getötete Kameraden mit nach Reisbach zum Friedhof brachte, die dann auch dort beigesetzt wurden. Leider weiß er nicht die Namen, sondern nur die Einheit der gefallenen Kameraden. Da die Einheit auf unseren Soldatengräbern aber nicht angegeben ist, konnten die Gräber nicht identifiziert werden.

Gebetbuch als Geschenk

Zum Abschluss des Gespräches schenkte Moritz Schwindling mir ein Gebetbüchlein, das er in Reisbach gefunden hatte und seitdem immer bei sich trug. Bei der sich anschließenden Fahrt durch das Dorf Reisbach erkennt er das von ihm vorher erwähnte "große Gebäude" in der Hauptstraße sofort wieder, in dem er damals seine Zugmaschine geparkt hatte. Es war - wie bereits vermutet - die ehemalige Labacher Schule. Nach einem kurzen Stopp an diesem großen Gebäude tritt Moritz Schwindling die Rückreise nach Gerolstein an - er ist sichtlich bewegt von seinem Besuch in Reisbach. red

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