Familienglück im Unglück Eine Stunde Familien-Weihnachten hinter Gittern

Saarbrücken. · Die frohe Botschaft über Hafterleichterungen lässt auf sich warten, deshalb sind ein Säugling und seine Mutter an Heiligabend getrennt.

 Ein geschmückter Tannenbaum steht in einer Justizvollzugsanstalt.

Ein geschmückter Tannenbaum steht in einer Justizvollzugsanstalt.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Es wäre ja auch zu schön gewesen, ein pralles Happyend: Junge Mutter hält an Heiligabend ihren drei Monate alten Sohn Luca im Arm, obwohl sie eine Gefangene ist. Doch aus dieser filmreifen Szene wird nichts, meint Bruno L. (22, Name geändert). Er ist Lucas Vater und seit fünf Jahren Lebensgefährte von Sabrina (36), die in Zweibrücken einsitzt. „Wir dachten, dass es Hafterleichterungen gibt, aber die Vollzugsplankonferenz wurde mehrfach abgesagt, und jetzt ist es für Weihnachten zu spät.“ Doch ein bisschen Weihnachten hatte Bruno L. bereits, es war ein halbes Happyend: Anfang November kam Luca zu ihm zurück, aus einer Pflegefamilie. Seitdem betreut der junge Vater zwei Kleinkinder: Lucas Bruder, der zweijährige Collin, lebt ebenfalls bei ihm.

Zum Weihnachtsglück fehlt jetzt nur noch die Mama. Sie wurde bereits einen Tag nach der Geburt am 26. September von Luca getrennt, und auch sein Vater durfte ihn die ersten Wochen nur auf Antrag sehen, obwohl er das Sorgerecht hat. Die Saarbrücker Zeitung berichtete über diesen Fall. Für den Saarbrücker Anwalt Fred Valentin ist er kritikwürdig. Seine Versuche, zeitnah zur Geburt eine Haftunterbrechung für Sabrina L. zu erwirken, scheiterten. Im November reichte Valentin ein Gnadengesuch ein, es ist immer noch unbeantwortet. Und nach Valentins Einschätzung hat es sowieso keine Aussicht mehr auf Erfolg. Die Dringlichkeit sei entfallen, dass die Mutter ihr Kind selbst versorgen muss. Valentin: „Unser Pulver ist verschossen.“ Sprich: Weil es Luca jetzt bei seinem Vater gut geht, hat die Mutter keine Chancen mehr, ihr Kind in den ersten beiden Jahren groß zu ziehen. Erst danach würde sie ihre Rest-Haftstrafe verbüßen.

„Diese Härte ist nicht nachvollziehbar“, meint der Anwalt. „Es geht nicht um eine Schwerverbrecherin.“ Sabrina sei lediglich ein „leichtsinniger“ Charakter. Sie rückte im Mai 2017 wegen kleinerer Delikte rund um Drogen ein, Haftende ist der 9. Februar 2019. In unterschiedlichen Prozessen kamen 19 Monate zusammen. Sabrina nahm Amphetamine, die sogenannte Party-, Techno- und Doping-Droge mit euphorisierender Wirkung, ohne grässliche Abhängigkeitserscheinungen. Der Alltag lief angeblich glatt. Bruno L. betont, seine Partnerin sei für Collin immer eine verantwortungsbewusste Mutter gewesen.

Das Paar lebte in St. Wendel zusammen, nach der Inhaftierung zog Bruno L. mit Collin zu seiner Mutter nach Ottweiler. Er habe eine Anstellung bei einem Dachdeckerbetrieb gehabt, erzählt er, wegen der Kinderbetreuung arbeite er aber derzeit nicht. Sabrina L. war laut Schilderung länger arbeitslos, hätte aber zuvor ihr Geld unter anderem bei einer Krankenhaus-Reinigungsfirma verdient. Wirklich stabil wirkt dies alles nicht. Schauen die Behörden hin? Eine Hebamme kommt laut Bruno L. regelmäßig. Wie das Neunkircher Kreisjugendamt der SZ bestätigt, ist es bisher zu keinerlei Beanstandungen gekommen. Man weist darauf hin, sämtliche Maßnahmen in Bezug auf Luca seien „mit den Eltern abgesprochen worden und wurden auch von diesen beantragt“. Also auch die Unterbringung in einer Pflegefamilie? Bruno L. räumt dies ein. Man habe ihm dringend geraten, zu kooperieren, ansonsten drohe ein Prozess und Lucas Heimkehr dauere nur länger.

Bruno L.fühlt sich  verantwortlich für Sabrina und hilflos. Denn seine Freundin fühle sich in Zweibrücken „gemobbt“. Die Justizvollzugsanstalt sagt aus datenrechtlichen Gründen der SZ dazu nichts. Auch nicht zum Vorwurf von Bruno L., die Entscheidung über Lockerungen im Vollzug sei vier Mal hintereinander „ohne Grund“ verschoben worden. JVA-Leiter Jürgen Buchholz: „Es ist bei uns völlig unüblich, dass Vollzugsplankonferenzen ohne Begründung abgesagt werden.“ Heute seien jedoch wieder Konferenzen angesetzt. Könnte es auch um Sabrina L. gehen?

Selbst wenn nicht: Ein kleines Weihnachtsgeschenk hält in diesem Jahr der Kalender bereit. Vier Mal im Monat, immer samstags, packt Bruno L. seine Jungs in Auto und fährt nach Zweibrücken. Das wird auch diesmal so sein, einen Tag vor Heiligabend. Eine Stunde lang sehen Collin und Luca dann ihre Mutter – Familien-Kurz-Glück hinter Gittern.

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