Doppelhaushalt 2019/20 Eine Haushaltsdebatte mit kleinen Nettigkeiten

Saarbrücken · Selten zuvor ging es im Landtag so sachlich und konstruktiv zu wie am Mittwoch. Politische Differenzen wurden dabei dennoch deutlich.

Jochen Flackus (Linke, am Rednerpult) hielt eine Rede, die selbst bei seinem Gegenspieler, Finanzminister Peter Strobel (CDU, links), gut ankam. 

Jochen Flackus (Linke, am Rednerpult) hielt eine Rede, die selbst bei seinem Gegenspieler, Finanzminister Peter Strobel (CDU, links), gut ankam. 

Foto: BeckerBredel

Wer sich an Haushaltsdebatten der Vergangenheit erinnert, muss sich am Mittwoch im Landtag verwundert die Augen gerieben haben. Nichts von der Schärfe früherer Jahre ist übrig geblieben. Es fing damit an, dass der Linken-Politiker Jochen Flackus den neuen Finanzminister Peter Strobel (CDU) als „netten Menschen“ willkommen hieß. Strobel revanchierte sich nach Flackus’ Rede: „Es stimmt mich optimistisch, dass Sie offensichtlich mehr finanzpolitischen Sachverstand als linke Ideologie haben.“

Derlei Nettigkeiten – es waren nicht die einzigen – sollen indes nicht verdecken, dass in der Debatte am Mittwoch auch politische Unterschiede deutlich wurden. Etwa: Sind Schulden gut oder schlecht? Und wie groß ist der Sanierungsstau? Die große Koalition sieht den Haushalt für 2019/20, der ohne neue Schulden auskommt, als „historische Leistung“, als Beweis dafür, dass man nicht auf Kosten nachfolgender Generationen leben wolle.

Für die Linksfraktion ist die schwarze Null hingegen „eine ungeheure ökonomische Torheit“, wie Fraktionschef Oskar Lafontaine sagte. Es sei völlig legitim, erläuterte Flackus, kommende Generationen an den Kosten von öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur zu beteiligen, weil auch die Erträge zum größten Teil erst in der Zukunft anfielen.

Echte Konfrontationen gab es nur selten. Der CDU-Abgeordnete Stefan Thielen etwa hielt Lafontaine dessen Prognose aus der Vergangenheit („Sie werden den Haushalt des Landes auf diesem Weg nicht konsolidieren können“) vor. Lafontaine räumte ein, er habe damals nicht erwartet, dass die Niedrigzinsphase so lange dauere und die Steuereinnahmen so lange sprudelten. Der Haushalt sei aber mitnichten saniert: „Wir sind völlig überschuldet.“ Finanzminister Strobel steuerte Zahlen bei: Die Verschuldung des Saarlandes betrage pro Kopf 13 758 Euro, dramatisch mehr als andere Länder, deshalb müsse man ja runter von der hohen Schuldenbelastung.

AfD-Fraktionschef Josef Dörr sagte, dass das Land keine neuen Schulden mache, sei „eine Leistung“, für die aber ein hoher Preis gezahlt werde, nämlich ein gewaltiger Investitionsstau. Dörr wiederholte seine Forderung nach fünf Milliarden Euro vom Bund. Woraufhin CDU-Mann Thielen ihm vorhielt, betteln zu gehen, sei „nicht die stolze Tradition von Bergleuten“.

Die Linke vermisste insbesondere eine Leitinvestition, also Projekte, die sich langfristig für das Land und die Wirtschaft auszahlen. Lafontaine nannte als Beispiel den Ausbau der Informatik in seiner Regierungszeit, wofür der heutige Regierungschef Tobias Hans (CDU) ihn umgehend lobte.

Die SPD-Abgeordnete Petra Berg sagte, neue Industrieflächen seien ein solches Leitprojekt, damit seien 40 Unternehmen mit 2500 Jobs angesiedelt worden. Auch die Senkung der Kita-Gebühren. Berg zählte viele weitere große und kleine Investitionen auf – von zusätzlichen Ausgaben für Schulen, Hochschulen, Straßen, den ÖPNV, die Polizei, den sozialen Wohnungsbau, aber auch mehr Geld für Tierschutz, Musikschulen oder die Beseitigung des Mülls in Wäldern. Es gebe zusätzliches Personal für die Behörden, damit zusätzliche Gelder auch tatsächlich verbaut werden können. Schuldenabbau sei „sicherlich nicht sexy“, weil er keine direkte Wirkung zeige. Trotzdem sei er wichtig als Basis für Investitionen und um Finanzströme ins Saarland zu lenken.

Die Schuldenbremse, so der Generalvorwurf der Linken, habe die Investitionen verkümmern lassen. „Wir fahren voll auf Verschleiß“, sagte Flackus. Nötig aus seiner Sicht: höhere Einnahmen fürs Saarland, vorzugsweise durch eine andere Steuerpolitik im Bund, andernfalls seien die Probleme nicht zu lösen. Für die Kommunen („die dramatischste Großbaustelle“) fehle ein Gesamtplan. Ministerpräsident Hans versprach: „Wir werden einen Weg finden, um die Kommunen zu entlasten.“

Auch mit Mitteln des Bundes? Die Opposition bemängelte, dass sich die saarländischen Bundesminister in Berlin zu wenig für das Saarland einsetzen. Dörr hob in diesem Zusammenhang die Verdienste Lafontaines hervor. Auch Lafontaine forderte mehr Einsatz in Berlin, wollte aber „ausdrücklich loben“, dass CDU-Fraktionschef Alexander Funk die Mittel für ein neues Kongresszentrum ins Land geholt habe. Hans warb um Geduld: „Wir werden das Netzwerk in Berlin einsetzen.“

Das Ausmaß des Investitionsstaus im Saarland klang bei den Rednern der Koalition weniger dramatisch. Beim Anteil der Investitionen am Landeshaushalt liege das Saarland auf Platz neun der Länder, sagte Strobel. Gleichwohl räumte er Probleme ein. Der Sanierungsstau bei den Krankenhäusern und an den Hochschulen sei ein Problem, das auch andere Länder hätten. Man gehe es an. Die Ausgaben für Investitionen sollen 2020 von 369 auf 430 Millionen Euro steigen. Das Land werde kein Schlaraffenland, sagte Strobel. Und Thielen meinte: „Wir veranstalten mit dem Ersparten kein Feuerwerk, aber wir sorgen dafür, dass alle Kerzen brennen.“

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