Heribert Prantl zu Gast in Homburg „Eine große Gefahr für Medien sind wir selbst“

Saarbrücken · Was der „Süddeutsche“-Journalist, der am Sonntag nach Homburg kommt, über Pressefreiheit, Donald Trump und Annegret Kramp-Karrenbauer denkt.

Heribert Prantl,journalistisches Urgestein der Süddeutschen Zeitung, spricht am Sonntag in Homburg über den Wert der Pressefreiheit.

Heribert Prantl,journalistisches Urgestein der Süddeutschen Zeitung, spricht am Sonntag in Homburg über den Wert der Pressefreiheit.

Foto: juergen-bauer.com/Juergen Bauer

Heribert Prantl ist Jurist und Journalist – genau wie Philipp Jakob Siebenpfeiffer, der vor 186 Jahren im heutigen Saarpfalz-Kreis gegen die Zensur in Deutschland kämpfte. Am Sonntag spricht Prantl, Mitglied der Chefredaktion der „Süddeutschen Zeitung“ und Siebenpfeiffer-Preisträger von 1999, beim „Festbankett“ der Siebenpfeiffer-Stiftung in Homburg. Vorab sprach der 64-jährige Oberpfälzer mit der Saarbrücker Zeitung über Pressefreiheit, die „Lügenpresse“ – und die Zukunft der saarländischen Ministerpräsidentin in Berlin.

Herr Prantl, als Siebenpfeiffer 1832 beim Festbankett in Zweibrücken für die Pressefreiheit kämpfte, war sein größter Feind die staatliche Zensur unter Metternich. Wer ist heute der größte Feind der Medien?

PRANTL Die große Gefahr besteht darin, dass die Pressefreiheit heute zu oft als Selbstverständlichkeit gilt. Dass aber Pressefreiheit auch in Demokratien nicht selbstverständlich ist, zeigt sich in den USA, wo der 45. Präsident mit seiner Gegnerschaft zur Presse protzt und die Pressefreiheit denunziert. Das zeigt: Das Sichere ist nicht sicher. Der Journalismus darf sich also nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen, Pressefreiheit muss sich jede Generation neu erkämpfen. Eine nicht unerhebliche Gefahr für den Journalismus hierzulande geht derzeit vom Journalismus, von den Medien selbst aus – von einem Journalismus, der den seriösen Journalismus verachtet; von Verlegern und Eigentümern, die ihn wegen echter oder vermeintlicher Sparzwänge kaputt machen; von Medienunternehmen, die den Journalismus auf dem Altar des Werbemarktes opfern. Glücklicherweise gibt es aber noch immer genug Verleger und genug Verlage, die wissen, dass sie keine x-beliebigen Produkte herstellen, sondern solche, die für die Demokratie systemrelevant sind. Manche tun heute auch so, als sei das Internet unser großer Feind – aber das stimmt nicht. Auch die Blogger im Netz sind keine Konkurrenz, sie sind eine gute Ergänzung des publizistischen Angebots. Das Internet ist eine ganz große Chance für den Journalismus. Wir Journalisten können den Menschen in einer Zeit der ungeheuren Informationsflut Orientierung bieten, wenn wir glaubwürdig sind und bleiben. Der größte Feind des Journalismus wäre die Unglaubwürdigkeit. Unser ganzes Bestreben muss also sein, glaubwürdig zu bleiben oder zu werden.

Für die „Lügenpresse“-Wortführer ist der Journalismus schon unglaubwürdig. Was machen die Medien falsch, dass sie so zur Zielscheibe werden?

PRANTL Vielleicht waren wir uns oft zu selbstsicher. Vielleicht haben wir manchmal so getan, als wüssten wir alles besser. Vielleicht haben wir den Leuten zu wenig erklärt, wie wir arbeiten. Und es ist so: Die Monopolstellung, die wir lange hatten, ist vorbei, jeder kann sich selbst als Publizist im Netz betätigen – dieser Konkurrenz muss man sich stellen, auch wenn diese Konkurrenz gelegentlich in ihrer Blase lebt und alles außerhalb der Blase als Gegner betrachtet. Da kann man nur mit Zuverlässigkeit und Überzeugungskraft reagieren. Wir müssen unsere Arbeit trotz aller Kritik so gut wie möglich machen und können auch Fehler einräumen, ohne dass uns ein Zacken aus der Krone bricht. All das gehört zur Glaubwürdigkeit. Die „Lügenpresse“-Vorwürfe kommen nur aus einem kleinen Teil der Öffentlichkeit, der aber sehr laut ist. Wer krakeelen will, den wird man auf die Schnelle nicht überzeugen können. Aber auf Dauer gelingt auch das wieder, glaube ich – wenn wir guten, gründlichen, unabhängigen Journalismus machen.

Erleben Sie den „Lügenpresse“-Vorwurf auch persönlich?

PRANTL Natürlich, ab und zu. Jetzt ist es wieder ruhig geworden, aber noch vor eineinhalb Jahren konnte es schon passieren, dass ich zum Bäcker gehe und jemand sagt: „Ach, da kommt der von der Lügenpresse“. Dann sage ich: „Von der Süddeutschen Zeitung, und wenn Sie mögen, schicke ich Ihnen ein Exemplar“. Die allermeisten Leute, die erst so aggressiv wirken, sind ja zugänglich, wenn man dann auf sie eingeht. Darum bemühe ich mich. Ich bin viel mit Leuten in Kontakt und die Anerkennung für den guten Journalismus ist doch ziemlich groß. Und der journalistische Einfluss auf die Diskussion der Gesellschaft ist nach wie vor groß.  Vielleicht ist der Lügen-Vorwurf auch ein Anlass, noch intensiver das Gespräch mit den Leuten zu suchen.

Ist die Pressefreiheit heute überhaupt noch ein Thema, was den Bürger bewegt? Damals zu Siebenpfeiffers Zeiten ja, aber heute?

PRANTL Pressefreiheit – 1832 war das ein Wort, in dem sich alle Sehnsucht vereinigte, Pressefreiheit galt als Ur-Grundrecht, als Universalrezept zur Gestaltung der Zukunft. Von der Pressefreiheit erhoffte man sich alles, die Besserung aller schlechten Zustände. Der Blick auf die Pressefreiheit heute ist nicht mehr so verklärt oder sehnsüchtig. Die alte Sehnsucht erwacht wieder, wenn Politiker beginnen, die Pressefreiheit zu verachten – in der Spiegel-Affäre von 1962 lernten die Deutschen, wie wichtig Pressefreiheit ist. Und heute lernen es die Amerikaner wieder. In den USA steigen die Auflagen der Trump-kritischen Zeitungen sprunghaft.

Müssten wir uns also auch für Deutschland einen Trump wünschen, damit wir die Pressefreiheit wieder zu schätzen wissen?

PRANTL Das wünsche ich mir wirklich nicht. Aber ich wünsche mir schon ein stärkeres Bewusstsein für ihren Wert. Und dass die Leute in der Auseinandersetzung mit Trump, Erdogan oder den neuen radikalen Tendenzen in unserer Politik, siehe AfD, wieder merken, dass nicht alles selbstverständlich ist und man dafür immer wieder kämpfen muss.

1999 waren Sie selbst Siebenpfeiffer-Preisträger und haben in Ihrer Rede die Medien zu einem „Aufstand gegen den alltäglichen Rassismus, der ‚die Fremden‘ zu Sündenböcken macht“ aufgefordert. Das klingt noch 19 Jahre später ziemlich aktuell, Stichwort Flüchtlingsdebatte. Erschreckt Sie das?

PRANTL Es würde mich vielleicht erschrecken, wenn ich mich seitdem nicht fast tagtäglich mit den Problemen von Asyl, Migration und Asyl beschäftigt hätte. Man erschrickt nicht, wenn das die tägliche Arbeit ist; aber man sieht daran, wie groß die Probleme sind und wie kompliziert die Lösungen sind. Ich meine nicht, dass die Presse da völlig versagt hat. Es hat sich im Bewusstsein viel getan, aber es zeigt, dass man wie Sisyphos einen Stein immer wieder rollen muss. Wir sind Demokratie-Arbeiter und manchmal auch Sisyphosse.

Der Titel Ihres Vortrags am Sonntag lautet „Journalismus zwischen Morgen und Grauen“. Wo verorten Sie sich selbst?

PRANTL Das Grauen bezieht sich darauf, dass wir oft alles zu schlecht malen. Ich verorte mich in einer spannenden Übergangszeit. Die goldenen Zeiten sind vorbei; es kam das Digitale, das manche wie den Hunneneinfall beschrieben. Ich bin neugierig darauf, wie sich die Dinge entwickeln.

Eine Übergangszeit gibt es gerade auch in der Bundespolitik. Was meinen Sie: Wie lange ist Angela Merkel noch Kanzlerin, wie lange ist Martin Schulz noch SPD-Chef und wann wechselt Annegret Kramp-Karrenbauer nach Berlin?

PRANTL Erstens: zwei Jahre, zweitens: eineinhalb Jahre, und drittens: Sie bleibt im Saarland.

Woran machen Sie das fest?

PRANTL Die CDU wird zur Mitte der Legislaturperiode ein Interesse haben, einen neuen Kandidaten zu präsentieren, und Angela Merkel wird ordentlich übergeben wollen. Martin Schulz ist „dead man walking“. Er hat seit seiner glanzvollen Inthronisierung fast alles falsch gemacht, viele in der Partei haben das Gefühl. Man kann jetzt in dieser schwierigen Koalitionszeit nicht die Vorsitzenden-Frage aufrollen, aber wenn sich die Dinge stabilisiert haben, werden Nahles, Dreyer und Schwesig an die Spitze rücken.

Und Kramp-Karrenbauer?

PRANTL Ich halte sie schon für eine der ganz potenten Kandidatinnen für die Bundespolitik. Aber ich glaube, sie ist jung und schlau genug, um abzuwarten. Es werden in der Führungsfrage unruhige Zeiten in der CDU kommen, so unruhig, wie sie in der SPD schon lange sind; und Ihre Regierungschefin ist, denke ich, klug genug, sich nicht in die Turbulenzen reinziehen zu lassen.

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