Eine Frau zwischen zwei Welten

Palästina, Ägypten, Saudi-Arabien und Israel. Und dann Deutschland. Der Dauer-Konflikt im Nahen Osten, der Krieg um den Gazastreifen, die enge muslimische Welt in Saudi-Arabien, wohin sie zwangsverheiratet wurde

Palästina, Ägypten, Saudi-Arabien und Israel. Und dann Deutschland. Der Dauer-Konflikt im Nahen Osten, der Krieg um den Gazastreifen, die enge muslimische Welt in Saudi-Arabien, wohin sie zwangsverheiratet wurde. Und von wo sie schließlich mit drei Kindern ins Saarland übersiedelte, als Nachtschwester arbeitete, um die Reise der Kinder nach Deutschland und den Unterhalt zu finanzieren und schließlich in Homburg Medizin studierte - das sind nur einige wenige Stichworte über den Lebensweg der Saarbrücker Fachärztin für Orthopädie Dr. Halima Alaiyan. Seit über 40 Jahren lebt sie im Saarland: "Und hier bleibe ich. Die Menschen sind offen, offener als anderswo. Viele haben mir hier geholfen", sagt sie und erzählt: "Ich wurde 1948, im Jahr der Gründung des Staates Israel in Ibdis, einem kleinen Ort, etwa 15 Kilometer von Jaffa und Tel Aviv in Palästina geboren. Meine Eltern flohen mit uns fünf Kindern, ich als Baby in den Armen meiner Mutter, nach Ägypten in ein Dorf in die Nähe von Kairo, wo ich die ersten neun Lebensjahre verbrachte. Der Vater arbeitete als Gutsverwalter. Es ging uns gut." Der Einschnitt kam, als sie "als Vierzehnjährige zwangsverlobt und eine Woche nach dem Abitur nach Saudi Arabien zwangsverheiratet wurde". Sie sah den "unglaublichen Reichtum des Scheichtums, aber auch die unglaubliche Armut und Sklavenhaltung nebeneinander. Die Bewegungsfreiheit war eingeschränkt. Ich musste Schleier tragen". Sie gebar drei Kinder; zwei Töchter und endlich auch den "von meinem Mann erwünschten Sohn. Und ich musste lernen, dass die Frau und die Kinder dem Mann und seiner Familie gehören. Die Frau hat keinerlei Verfügungsrecht über sich und ihre Kinder". 1966 reiste sie allein "auf Geheiß" wie sie sagt, ihres Mannes nach Deutschland, der an der Uni in Saarbrücken ein Medizinstudium begonnen hatte. Sie sollte eine Wohnung suchen. Die drei Kinder mussten bei den Großeltern in Gaza bleiben. Der Mann warnte sie: "Deutsche mögen keine Ausländer. Sie mögen Hunde mehr als Kinder." Während sie im Saarland nach Wohnung und Arbeit suchte, werden ihre Kinder in den Wirren des Sechs-Tage Krieges 1967 aus dem Gaza-Streifen verschleppt. Mit Hilfe des Internationalen Roten Kreuzes werden sie in einem Lager gefunden. Aber Sohn Talat ist krank, schwer krank, wie sich später herausstellen wird. Sie arbeitet in der Uni-Klinik in Homburg, absolviert eine Ausbildung als MTA, als Medizinisch-Technische Assistentin, arbeitet auch als Nachtschwester, finanziert so die Flugkosten für die Kinder nach Deutschland und auch das Studium des Ehemannes. 1968 kommt der kranke Sohn nach Saarbrücken. Er leidet an einer unheilbaren Blutkrankheit. Sie beginnt schließlich selbst in Saarbrücken ein Medizin-Studium. 1975 wird die Ehe geschieden. Die Scheidung: "Im Islam gibt es für die Frau so gut wie keine Gründe, eine Scheidung einzureichen. Im Islam bekommt die Frau auch keinen Unterhalt von ihrem Mann. Mein geschiedener Mann zahlte auch keinen Unterhalt für die Kinder, weil die Kinder nicht bei ihm, sondern bei mir lebten."1980 promoviert sie, und im selben Jahr werden sie und die Kinder deutsche Staatsbürger. Sie absolviert eine Ausbildung als Fachärztin für Orthopädie, wird schließlich Oberärztin im Orthopädischen Universitätsklinikum Homburg und Leitende Ärztin des Labors und der Röntgenabteilung. 1980 wird sie bei einem Autounfall schwer verletzt, ist sechs Wochen lang querschnittsgelähmt, ein Lendenwirbel war gebrochen. Sie erholt sich langsam, muss zeitweilig ein Stützkorsett tragen.1989 stirbt Sohn Talat nach jahrelangem schweren Leiden. Sie eröffnet eine eigene Praxis in Saarbrücken und beginnt mit dem Schreiben ihrer Biografie, die 2004 im Marion-von-Schröder-Verlag erscheint. Titel "Vertrieben aus dem Paradies". Sie beschreibt "authentisch und aus meiner persönlicher Sicht die Probleme zwischen der muslimischen und der christlichen Welt, die Realität in Palästina, in Ägypten, in Saudi Arabien und die Stellung der Frau im Islam". Und sie schreibt über ihr Leben "in Deutschland, genauer im Saarland, "wo ich seit 40 Jahren zu Hause bin. Ich bin als Frau froh, in einem demokratischen Land leben zu dürfen, mit allen Pflichten und Rechten gleichberechtigt und frei wie alle meine Mitbürger. Hier lernte ich die Achtung der Menschenrechte kennen. Ich bin dankbar, dass ich hier die Möglichkeit hatte zu studieren und mein Leben aufzubauen. In einem arabischen Land hätte ich alle diese Möglichkeiten nicht gehabt. Hier haben meine Familie und ich eine Gegenwart und eine Zukunft."Aber sie warnt auch vor zunehmender Fremdenfeindlichkeit: "Heute noch, nach 40 Jahren, werde ich täglich daran erinnert, dass ich Ausländerin bin. Die Toleranz, Achtung und Respekt für das Anderssein, für andere Kulturen und Religionen zeigt zunehmend Schwächen. Wir brauchen den Dialog. Nur so können wir Verständnis und Toleranz gewinnen." 2003 gründete sie die "Talat-Alaiyan-Stiftung", die sie nach ihrem Sohn benannt hat, "für Jugendliche aus Israel, Palästina und Deutschland". Ziel der Stiftung ist die Begegnung zwischen deutschen, israelischen und palästinensischen Jugendlichen, Frieden und Aussöhnung, vor allem im Nahen Osten. Dr. Halima Alaiyan ist achtfache Großmutter. Ihre Töchter sind mit Deutschen verheiratet. Ministerpräsident Peter Müller ernannte sie im Sommer zur Saarlandbotschafterin. Am 5. Oktober wurde Dr. Halima Alaiyan in Berlin von Bundespräsident Horst Köhler mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. "Ich will weiterkämpfen für Freiheit, Menschenrechte, Verständigung und Toleranz" Dr. Halima Alaiyan bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes durch Bundespräsident Horst Köhler

stichwortDie "Talat-Alaiyan-Stiftung für deutsche, israelische und palästinensische Kinder" wurde am 12. Januar 2004 in Saarbrücken gegründet. Stiftungszweck ist laut Satzung "die Förderung von Begegnung, Aufklärung, Versöhnung und Freundschaft zwischen israelischen, palästinensischen und deutschen Kindern. Die Stiftung ist selbstlos tätig. Sie wird finanziert aus Spenden und den Einnahmen aus dem Buch von Dr. Halima Alaiyan "Vertreibung aus dem Paradies". Die Stiftung hat verschiedene Projekte durchgeführt: darunter Begegnungen von deutschen, israelischen und palästinensischen Jugendlichen in Deutschland. Die Stiftung arbeitet zusammen mit der Prinzessin Kira von Preußen Stiftung, den Carl Duisberg Centren, der Friedensorganisation Peace Child of Israel, den Pfadfinder-Organisationen u.a.m. gräb

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