Eine Frau regiert ab Januar im brasilianischen St. Wendel

St. Wendel/São Vendelino. Anfang Oktober wurde nicht nur Bayern bei den Landtagswahlen von einem politischen Erdbeben erschüttert, sondern auch St.Wendels Partnerstadt São Vendelino bei den brasilianischen Kommunalwahlen

 M. O. Weissheimer

M. O. Weissheimer

 Die neue Wendelinusstatue in São Vendelino hat große Ähnlichkeit mit der Brunnenfigur in der Balduinstraße in St. Wendel. Fotos: SZ

Die neue Wendelinusstatue in São Vendelino hat große Ähnlichkeit mit der Brunnenfigur in der Balduinstraße in St. Wendel. Fotos: SZ

St. Wendel/São Vendelino. Anfang Oktober wurde nicht nur Bayern bei den Landtagswahlen von einem politischen Erdbeben erschüttert, sondern auch St.Wendels Partnerstadt São Vendelino bei den brasilianischen Kommunalwahlen. Der Kandidat der seit der Selbstständigkeit der Stadt im Jahr 1988 regierenden Partei PMDB (Partido do Movimento Democrático Brasileiro, Partei der Brasilianischen Demokratischen Bewegung), Leomar Willrich, verlor die Bürgermeisterwahl. Ab dem 1. Januar 2009 wird das brasilianische St.Wendel erstmals von einer Frau regiert: Marli Oppermann Weissheimer hatte sich klar mit 56,9 Prozent gegen Leomar Willrich, der bereits von 1997 bis 2000 Bürgermeister (portugiesisch: Prefeito)war, durchgesetzt.Marli - in Brasilien ist der Vorname oder wie bei Präsident "Lula" auch der Spitzname wichtiger als der Familienname - war für das Wahlbündnis "Avança São Vendelino" ins Rennen gegangen. Am Wahlabend musste die 50-jährige Lehrerin, die wie ihr Vize-Bürgermeister Harry Seibert hervorragend deutsch spricht, zunächst zittern: Der erste Wahlbezirk, der ausgezählt war, fiel an Leomar Willrich. Nachdem sie dann aber die drei Innenstadtbezirke gewonnen hatte, war klar: Marli ist die neue "Prefeita" von São Vendelino. Der Sieg wurde dann mit einem Autokorso und einem der größten Feste, die die Stadt bisher gesehen hat, gefeiert. Bis zum 29. Dezember wird Marli weiter an der Schule in São Vendelino unterrichten und dann am 1. Januar auf den Chefsessel im Rathaus wechseln. Das brasilianische Wahlrecht unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten vom deutschen: In Brasilien herrscht Wahlpflicht, so dass die Wahlbeteiligung mit 96,4 Prozent sehr hoch lag. Ausgesprochen klein war dagegen die Zahl der Wahlberechtigten: Da São Vendelino mit rund 2000 Einwohnern zu den kleinsten Gemeinden in ganz Brasilien gehört, gab es dort nur 1815 Wahlberechtigte. Nach dem brasilianischen Wahlrecht durfte der bisherige Amtsinhaber Régis Fritzen nach zwei Wahlperioden in Folge nicht mehr kandidieren. Seine Partei PMDB verlor zwar die Bürgermeisterwahl, im Stadtrat konnte sie allerdings ihre Mehrheit behaupten. Eine weitere Besonderheit des Wahlrechts in Brasilien soll nicht unerwähnt bleiben: Alle Bürgermeister- und Stadtratskandidaten müssen ihre Vermögensverhältnisse offen legen, die Angaben wurden im Internet veröffentlicht. Im brasilianischen St.Wendel wird übrigens immer mehr die Erinnerung an den Namensgeber der Stadt gepflegt: Nachdem im vorletzten Jahr vor dem Rathaus ein Wendelinus-Brunnen aufgestellt worden ist, wurde im Juli diesen Jahres neben der Kirche eine große Wendelinusstatue aufgestellt. Jürgen Zimmer

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