Ein romantischer See aus Konfitüre mit einer Nussschale als Boot

Saarbrücken. Dass Literatur verfilmt wird, ist fast alltäglich - oft zum Leidwesen der Liebhaber des verfilmten Werkes. Dass Comic-Künstler Literatur in ihren Bildern nacherzählen, ist auch nicht mehr so selten. Gerade erst ist Ray Bradburys "Fahrenheit 451" im Eichbornverlag als so genannte Graphic Novel erschienen

Saarbrücken. Dass Literatur verfilmt wird, ist fast alltäglich - oft zum Leidwesen der Liebhaber des verfilmten Werkes. Dass Comic-Künstler Literatur in ihren Bildern nacherzählen, ist auch nicht mehr so selten. Gerade erst ist Ray Bradburys "Fahrenheit 451" im Eichbornverlag als so genannte Graphic Novel erschienen. Was der Saarbrücker Konditor Heinz Schubert dagegen in dieser Woche getan hat, ist eher ungewöhnlich: Er hat Literatur essbar gemacht. Genau genommen nur ein kleines Stück Literatur, ein Detail aus Flauberts Roman "Madame Bovary": die Hochzeitstorte. Auftraggeberin Schuberts ist die Vizepräsidentin der Saar-Uni, Patricia Oster-Stierle. Die Professorin hat die Torte allerdings nicht nur aus literarisch-kulinarischer Experimentierlust bestellt. Sie soll genau das sein, wozu sie Flaubert erdacht und Schubert sie erschaffen hat: Hochzeitstorte. Serviert wird sie auf einer Hochzeit in Tübingen Sabine Narr und ihren Gästen. Sabine Narr ist Assistentin an Patricia Oster-Stierles Lehrstuhl für französische Literaturwissenschaft. Dort wissen die Studenten um die Bedeutung der Torte in Flauberts Roman. Oster-Stierle hat sie im Flaubert-Seminar in diesem Sommersemester behandelt. "Ich habe bisher noch nie eine Abbildung gefunden und auch die zahlreichen Verfilmungen von Madame Bovary machen sich nicht die Mühe, die Torte so nachzugestalten, wie sie im Buch beschrieben wird. Dabei ist das sehr wichtig", sagt die Professorin. Man könne "das literarische Verfahren Flauberts am Beispiel dieser Torte wunderbar deutlich machen". Die Beschreibung der Torte sei "ein literarisches Virtuosenstück". "Flaubert berichtet nichts von der Hochzeit selbst", erklärt Oster-Stierle. "Es wird nicht die romantische Hochzeit beschrieben, sondern ein Ersatz aus Zuckerguss." Wobei Flaubert eine Art Geschichtsparodie konstruiert: Die unterste Ebene der Torte ist aus blauem Karton und erinnert an einen klassizistisch-rokokohaften Tempel - zwischen den Säulen stehen Gipsstatuetten. Nach dieser Ebene der Antike und Klassik kommt im zweiten Stock das Mittelalter mit einer Ritterburg. Auf der dritten Plattform beschreibt Flaubert die Epoche der Romantik mit einem Gebirge, einer Wiese, einem See aus Konfitüre, auf dem eine Nussschale als Boot schwimmt. Amor sitzt auf einer Schaukel aus Schokolade, deren beiden Pfosten echte Rosen zieren. "Herr Schubert war gleich sehr interessiert, er ist auf dem Gebiet der Torten ein großer Künstler", sagt die Professorin. Sie ist nicht nur von Heinz Schubert überzeugt. Sie ist sicher, dass es in keiner anderen Stadt als Saarbrücken möglich gewesen wäre, dieses Stück Literatur wirklich essbar zu machen.

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