Ein Kunstexperte mit Heimatverbundenheit

Homburg. Nun zu Wilhelm Weber, dem Ururenkel der Limbacher Müllerfamilie Weber-Cron. Als er am 30. Dezember 1999 verstarb, legte die Familie ein Kondolenzbuch an. Eine der vielen Würdigungen lautete so: "Er war einer von denen, der sich in der Welt zu Wort meldete und Gehör fand. Ein großer Mensch, der dieses Jahrhundert mitgeprägt hat, ist mit diesem Jahrhundert gegangen"

Homburg. Nun zu Wilhelm Weber, dem Ururenkel der Limbacher Müllerfamilie Weber-Cron. Als er am 30. Dezember 1999 verstarb, legte die Familie ein Kondolenzbuch an. Eine der vielen Würdigungen lautete so: "Er war einer von denen, der sich in der Welt zu Wort meldete und Gehör fand. Ein großer Mensch, der dieses Jahrhundert mitgeprägt hat, ist mit diesem Jahrhundert gegangen". Ein anspruchsvolles Wort, das es zu belegen gilt.

Er wuchs in der Mühle auf

Er wurde am 20. Juni 1918 in Limbach geboren, wuchs in der Mühle, die damals noch in voller wirtschaftlicher Blüte stand, auf. Nach dem Abitur 1937 - die Mühle war nun nicht mehr im Besitz der Webers - wurde ihm das Stipendium "Studienhilfe des deutschen Volkes" zuerkannt. Das Studium konnte er jedoch nicht aufnehmen, da er zum Militär eingezogen wurde. Kriegsdienst leistete er von 1939 bis 1943. Nach der Befreiung vom Dienst infolge schwerer Tropenkrankheit nahm er das Studium an der Akademie für Bildende Künste in Dresden auf, wo er die Bombardierung am 13. Februar 1945 erlebte. 1947 setzte er sein Studium der Bildenden Künste in Paris, 1949 in Rom fort.

Kustos der Pfalzgalerie

Nach seiner Rückkehr aus dem Ausland studierte er in Heidelberg Kunstgeschichte, Archäologie und Philosophie, 1953 wechselte er an die Uni Saarbrücken. 1960 wurde er Kustos der Pfalzgalerie Kaiserslautern, 1965 deren Direktor, ab 1978 leitete er das Mittelrheinische Landesmuseum in Mainz. An der Uni Mainz hielt er Seminare in Museumskunde ab, an der Uni Kaiserslautern, wo er zum Honorarprofessor ernannt wurde, hatte er einen Lehrauftrag in "Kunstgeschichte". Wilhelm Weber wurde in Mainz beerdigt, am Limbacher Webergrabmal erinnert eine Steinplatte an ihn.

Das ist in dürren Worten ein Abriss einer Vita, die tiefe Spuren hinterließ. Er hatte, vorneweg sei es gesagt, viele Begabungen: Er war ein hervorragender Maler, ein ideenreicher Anreger und Spurensucher, der in Vorträgen seine Zuhörer in den Bann zog; er war ein "Museumsmagier" mit Kontakten zu bedeutenden Kunstsammlern und zeitgenössischen Künstlern - und er war ein akribischer (Kunst-)Forscher.

Kontakt riss nie ab

Den Limbachern ist wichtig: Obwohl Kosmopolit, ließ er die Verbindung mit seinem Geburts- und Heimatort nie abreißen. Er kam immer wieder hierher, um Vorträge zu halten, noch in den 1990er Jahre - nun in der von der Gemeinde angekauften Mühle, deren Nutzung er mit Interesse, auch mit Ratschlägen, verfolgte.

Nach dem Krieg wohnte Wilhelm Weber wieder in Limbach. Sofort, und von da an immer dort, wo er sich niedergelassen hatte, ergriff er die Gelegenheit, sich mit dem "genius loci" vertraut zu machen und darüber zu schreiben. Anlass war die 700-Jahrfeier der protestantischen Kirche im Juli 1949. Er befasste sich intensiv mit ihrer Geschichte, hielt ihr Inneres (Kanzel und Baldachin) und Äußeres in Zeichnungen fest. Die Veröffentlichungen darüber schafften einen rationalen Zugang zum historischen Wert der Kirche. Von nun an sah auch die Bevölkerung ihr Kirchlein mit neuen Augen. Das Gleiche, nämlich die Geschichte mit Zeichnungen plastisch zu machen, tat er mit der Limbacher Mühle. Auch dieses Gebäude erfuhr einen neuen Stellenwert, nicht zuletzt deswegen wurde der Ankauf durch die Gemeinde allgemein begrüßt.

Er schrieb fesselnd

Sein ganzes Können zeigte sich schon in seinen Anfängen in Limbach. Griff er ein Thema auf, beschäftigte er sich intensiv mit ihm. Da er fesselnd schreiben konnte, gelang es ihm, die Menschen zu interessieren, im Fall der protestantischen Kirche, für das historische Bauwerk zu sensibilisieren.

Mit seinen Zeichnungen der Kanzel und des Baldachins öffnete er auch den Mitbürgern die Augen. Schon als Gymnasiast hatte das Bedürfnis zu zeichnen: Wenn er morgens auf dem Weg zur Schule im Zug saß und die Mitschüler sich unterhielten oder Aufgaben machten, skizzierte er die Arbeiter, die müde von der Nachtschicht, vor sich hindösten.

Er entdeckte Hock neu

Meist griff er solche Themen auf, die verschüttet waren oder noch nie angepackt worden sind. Die Erinnerung an Theobald Hock, dem vielleicht größten Sohn der Gemeinde, war verblasst. Manche wussten, dass er der Verfasser des Bändchens "Schönes Blumenfeld" war, mehr aber auch nicht. Wilhelm Weber hat ihn wieder "ausgegraben", aber nicht nur als Verfasser eines literarisch bedeutsamen Gedichtbändchens, sondern auch in seiner Rolle als Vermittler zwischen den Protestanten im Vorfeld des 30-jährigen Krieges.

Anlässlich seines Vortrags zum 325. Geburtstag von Theobald Hock am 5. Oktober 1958 kam auf Einladung des Volksbildungswerkes Limbach das ganze Dorf zusammen. Nach diesem Tag nahm Theobald Hock einen neuen Stellenwert bei der Bevölkerung ein. Die Benennung eines Platzes, einer Straße und eines Gemeindehauses nach Theobald Hock ist Folge der Spurensuche von Wilhelm Weber.

In Limbach wohnte er nur kurzzeitig, nämlich bis 1951. In den 1950er Jahren mischte er in Homburg als Leiter des Verkehrsvereins, Betreuer des Museums und Vorsitzender des historischen Vereins das kulturelle Leben auf. Als Organisator von Ausstellungen, z.B. einer frühen Slevogt-Ausstellung, machte er sich erstmals einen Namen.

Auf dem Schlossberg, der als Ort des sagenhaften Karlsbergschlosses und des "größenwahnsinnigen" Erbauers bekannt ist, bot es sich an zu recherchieren. Dank seiner Grabungen, gesponsert von der Karlsbergbrauerei, stieß er auf umfangreiche Fundamente: Er stellte sich die Frage nach dem Sinn und Zweck des einst riesigen Schlosses.

Auch Schloss Karlsberg dabei

Nach jahrzehntelanger Forschung kam er zu einer Neubewertung Herzog Karl II Augusts: Als potenzieller Nachfolger des Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz und von Bayern hatte er Anspruch auf den bayrischen Thron und "brauchte" , so die These Wilhelm Webers, eine repräsentative Residenz. Frucht der Spurensuche ist das 1988 in Homburg erschienene Buch "Schloss Karlsberg".

Architekt des Karlsbergschlosses war übrigens Johann Christian Mannlich. Nach diesem "Kunstförderer und Erzieher" wurde das ehemalige Homburger Mädchengymnasium benannt: Der Name "Christian-von-Mannlich-Gymnasium" geht nicht zuletzt auf Wilhelm Webers Vorschlag zurück. Sein zweites wissenschaftliches Hauptwerk ist das auch ins Englische und Französische übersetzte zweibändige Standardwerk über die Geschichte der Lithografie. Siebenpfeifer und Wirth haben von Homburg aus agiert - für Wilhelm Weber Anlass, sich mit diesen "Männern von Hambach" in Wort und Schrift zu beschäftigen.

Wechsel nach Kaiserslautern

1960 wechselte Wilhelm Weber an die Pfalzgalerie nach Kaiserslautern, zunächst als Kustos, dann von 1965 bis 1978 als Leiter. Es gelang ihm, das bislang unbedeutende Museum mit hervorragenden Werken der deutschen und der französischen Moderne auszustatten und mit Ausstellungen bekannt zu machen.

Hilfreich beim Sammeln war die Freundschaft mit Künstlern wie Purrmann oder Dix, vor allem mit dem Picasso-Vertrauten und -Händler Daniel-Henry Kahnweiler, einem gebürtigen Mannheimer. Höhepunkt seiner Museumstätigkeit war die Direktion des Landesmuseums in Mainz. In der FAZ heißt es dazu: "Großartig fanden wir seine Neueinrichtung dieses großen Hauses mit der Abteilung für Römische Kunst, für jüdische Kunstobjekte, für Mittelalter und Neuzeit und seine Neuerwerbungen", etwa Werke von Picasso und Chagall.

Auch hier kamen ihm seine Verbindungen zu Peter und Irene Ludwig, einem Industriellen- und Kunstsammlerehepaar aus Köln, zugute. Seine Erfahrungen als langjähriger Museumsdirektor machte sich die Gutenberg-Universität zunutze, indem sie ihm den Lehrauftrag für Museumskunde erteilte. Einen solchen, nämlich für Kunstgeschichte, nahm er auch seit 1970 an der Universität Kaiserslautern wahr, die ihn 1978 zum Honorarprofessor ernannte.

Schrieb auch für Zeitungen

Bis zu seinem Tod betätigte er sich als Autor vieler kunsthistorischer Schriften und Bücher, schrieb Katalogbeiträge, hielt Vorträge in vielen Städten, war freier Mitarbeiter der FAZ und der Welt am Sonntag, organisierte und eröffnete Ausstellungen, so 1993 als Vorsitzender der "Pfälzischen Sezession" (von 1983 bis zu seinen Tod) und der "Vereinigung der Pfälzer Kunstfreunde" die Sonderausstellung "70 Jahre Arbeitsgemeinschaft Pfälzer Künstler" in der Pfalzgalerie. Zeitlebens galt seine Aufmerksamkeit den herausragenden Künstlern seiner Region: Slevogt, Weisgerber, Purrmann. Aber auch mit Picasso, Chagall und Salvador Dali nahm er Kontakt auf und besuchte sie mit seiner Frau Ursula.

 Wilhelm Weber, hier 1993 bei der Verleihung der Bürgermedaille durch Oberbürgermeister Reiner Ulmcke, hat sich als Mitbegründer des Historischen Vereins um Homburg verdient gemacht. Foto: Gross-Geiger

Wilhelm Weber, hier 1993 bei der Verleihung der Bürgermedaille durch Oberbürgermeister Reiner Ulmcke, hat sich als Mitbegründer des Historischen Vereins um Homburg verdient gemacht. Foto: Gross-Geiger

Trotz dieser Weltläufigkeit behielt er seine Anhänglichkeit zu seiner alten saarpfälzischen Heimat: Immer wieder besuchte er Limbach, auch noch im hohen Alter, und fragte stets nach dem Mühlenkonzept. Schließlich war er dort aufgewachsen.

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