Zwangsarbeiter-Mahnmal Ein dunkles Kapitel der Hütten-Geschichte wird neu ausgeleuchtet

Völklingen · Die Familie Röchling finanziert im Weltkulturerbe ein Mahnmal für NS-Zwangsarbeiter.

 Serbische und sowjetische Zwangsarbeiter der Röchling-Werke im Jahr 1941/42.    

Serbische und sowjetische Zwangsarbeiter der Röchling-Werke im Jahr 1941/42.  

Foto: Saarstahl AG

Je größer je lieber, dafür steht das Völklinger Weltkulturerbe. Mit teilweise exotischen Großprojekten schob es sich unter die touristischen Top-Ziele in Deutschland. Doch wenn es um die Firmengeschichte der Röchlingschen Eisen- & Stahlwerke ging, um den Kriegsprofiteur, NS-Fan und verurteilten Kriegsverbrecher Hermann Röchling, da wurden bisher nur kleine Brötchen gebacken, so Kritiker, etwa das Aktionsbündnis Frieden. Von Ignoranz und Desinteresse des Weltkulturerbe-Chefs für das Thema Gedenken war die Rede. Erst 2014 wurde eine „Stolperschwelle“ für die NS-Zwangsarbeiter verlegt, und die Sonderschau „Die Röchlings und die Völklinger Hütte“ beleuchtete unter anderem die Kriegsära. Peinlich spät, nicht herausgehoben genug, hieß es.

Doch jetzt zieht Meinrad Maria Grewenig ein Ass aus dem Ärmel, macht das wahr, was er bereits damals angekündigt hatte: ein NS-Zwangsarbeiter-Mahnmal. In der Sinteranlage soll es seinen Platz haben, ein Denkmal, das den Namen Großinstallation verdient, an zentraler Stelle, durch den gläsernen Boden hindurch nahezu allgegenwärtig. „Wir wollten eine dem hohen Niveau des Themas angemessene Darstellung“, so Grewenig. Was für ihn bedeutete, einen Künstler von Weltformat zu verpflichten. Den Namen hält der Weltkulturerbe-Direktor bis zur Vertragsunterzeichnung unter Verschluss. Doch noch vor Ostern soll die vonstatten gehen, weil bereits im Herbst die Einweihung des Denkmals geplant ist. „Unser Künstler ist der Beste, den man finden kann, wenn es um das Thema Holocaust-Erinnerung geht“, so Grewenig. Dies mag eine der für ihn typischen PR-Formulierungen sein, jedoch deuten SZ-Recherchen darauf hin, dass es sich tatsächlich um einen Konzeptkünstler der ersten Liga handelt, mit Documenta- und Biennale-Ehren.

Zusätzlich zum künstlerischen Gewicht bringt das Zwangsarbeiter-Denkmal jedoch auch eine emotionale Dimension ins Spiel. Erstmals wollen sich Mitglieder der Familie Röchling, zusätzlich zu Spenden ihres Unternehmens sowie verschiedener Familienstiftungen, mit privatem Geld in Völklingen engagieren und sich an der Finanzierung des Mahnmals beteiligen. Dies bestätigt Johannes Freiherr von Salmuth der SZ. Er will in der Gesellschafterversammlung, in der rund 200 Röchling-Nachkommen organisiert sind, einen Spendenaufruf starten. Er sagt: „Ich weiß, dass es nicht wenige gibt, denen es persönlich wichtig ist, sich zusätzlich privat zu engagieren. Wir sind, was die Aufarbeitung der Vergangenheit angeht, schon lange offen. Es gibt helle und dunkle Kapitel in unserer Familiengeschichte, und alle gehören zu unserer Identität. Es bringt nichts, so zu tun, als gebe es keine Schattenseiten in fast 200 Jahren Unternehmensgeschichte.“ Man habe Grewenig eine generelle Unterstützungs-Zusage für die Realisierung des Projektes gegeben, so von Salmuth. Er ist Vorsitzender der Aufsichtsgremien der Röchling Gruppe, die heute nicht mehr Eisen und Stahl, sondern Kunststoff herstellt.

Offensichtlich war und ist der Preis nicht das primäre Thema: „Das Kunstwerk sollte der Sensibilität des Themas gerecht werden.“ Doch nach eigenem Bekunden von Salmuths war für die Entscheidung, sich zu engagieren, der Glanz des Künstlernamens nicht ausschlaggebend: „Natürlich freuen wir uns und sind dankbar, wenn Herr Grewenig so wertvolle Ideen hat und einen sehr renommierten Künstler motivieren kann.“ Wie hoch das Engagement ausfallen wird, ist noch unklar. Grewenig erklärt, er habe eine generelle Absicherung für die Realisierung erhalten, unabhängig von der Höhe der Kosten. Wobei das Denkmal nicht ausschließlich von Röchling finanziert wird, auch das Weltkulturerbe wird Eigenmittel drauflegen. Grewenig spricht von einer sechsstelligen Summe dank „Sonderkonditionen“ des Künstlers: „Der übliche Marktwert des Gesamtprojektes wäre sicher siebenstellig. Ohne die Familie Röchling könnten wir das Ganze nicht umsetzen“, so Grewenig.

Angemessen oder nicht? Um den Stolperstein des Bildhauers Gunter Demnig  kam es 2014 zu einer harten Debatte.

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Foto: BeckerBredel

Das Mahnmal sieht er als ästhetischen Leuchtturm, der auf einem wissenschaftlichen Fundament ruht. Es markiere den Start eines noch umfassenderen Zwangsarbeiter-Forschungsprojektes, für das Grewenig rund zehn Jahre ansetzt. Zusätzlich zu den heute schon recherchierten und in einer Station aufbereiteten Opferbiografien beabsichtige man, wirklich allen der rund 12 300 Zwangsarbeiter ein Gesicht und eine Biografie zu geben – und einen weiteren Ort in der Hütte.

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