Ein Chor kämpft ums Überleben

Bruchhof/Sanddorf · Von deutschen und internationalen Volksliedern über geistliche und weltliche Musik bis hin zu Operettengesang reicht das Repertoire vieler Gesangvereine, so auch im Schmidt'schen Gesangverein Bruchhof. Doch der Verein hat Probleme.

 Beim 125. Geburtstag zeigte der Schmidt'sche Gesangverein Bruchhof, der zusammen mit dem Gesangverein Sanddorf eine Chorgemeinschaft bildet, sein großes Repertoire. Foto: Gesangverein

Beim 125. Geburtstag zeigte der Schmidt'sche Gesangverein Bruchhof, der zusammen mit dem Gesangverein Sanddorf eine Chorgemeinschaft bildet, sein großes Repertoire. Foto: Gesangverein

Foto: Gesangverein

Der Schmidt'sche Gesangverein Bruchhof wird in diesem Jahr 130 Jahre alt. Eigentlich ein Grund zum Feiern. Doch die Realität in einem der ältesten Vereine in der Region ist eine ganz andere: keine Singstunden donnerstags in der Chorgemeinschaft mit dem Gesangverein Sanddorf, Querelen unter den Mitgliedern, ein zurückgetretener Vorstand, keine amtierende Vereinsführung. Die Zeichen stehen offenbar auf Auflösung des eingetragenen Vereins.

Dabei sah es im Januar noch glänzend aus. In der Generalversammlung wurde Angela Forster zur neuen Vorsitzenden des Traditionsvereins gewählt. Sie wurde Nachfolgerin des verstorbenen langjährigen Vorsitzenden Gebhard Jung, der als Integrationsfigur über Jahrzehnte galt. Nach der Januar-Wahl gab es "Unstimmigkeiten in der Vorstandschaft", wie Hans Engel, ehemaliger Vize-Vorsitzender und Pressewart, unserer Zeitung mitteilte. Vor allem wegen des Festtermins habe es nach Engels Auffassung unterschiedliche Auffassungen gegeben. Engel gilt in Bruchhof mit seiner über 60-jährigen Mitgliedschaft als ein Urgestein des Vereins. Sein vorgeschlagener Termin sei im September gewesen, den 10. November als Termin habe er auch in einer Ausschusssitzung am 7. März deshalb abgelehnt, weil es "der Totenmonat ist, und man deshalb keine Feste feiert." In einer Mitgliederversammlung am 4. April im Wichernheim kam es offenbar zum Eklat, bis zur Abstimmung über die Auflösung. Zweidrittel der Anwesenden stimmte jedoch für einen Fortbestand des Vereins. Zwischenzeitlich legte Angela Forster als Vorsitzende ihr Amt nieder; andere folgten. Sie sagte zu unserer Zeitung: "Ich will kein schlechtes Wort über den Verein und den Vorstand reden."

Ihr sei daran gelegen, dass es die 130-Jahr-Feier im November "mit einem tollen Programm" gebe. Ihr Ehemann und Hauptkassierer Gerhard Forster meinte: "So ein Ende darf es nicht geben. Mein Wunsch wäre es, anständig miteinander umzugehen und wieder miteinander zu singen." Er appellierte an die Bürger in Bruchhof-Sanddorf "Mut und Courage zu zeigen", und sich zu engagieren.

Der bisherige Schriftführer Ludwig Hoffmann, der bei der März-Sitzung nicht anwesend war, geht davon aus, dass im November das Jubiläum mit einem Festakt in der katholischen Kirche begangen wird. Er hoffe, dass sich alle Beteiligten zusammenrauften, "zum Wohle des Vereins." Er findet es bedauerlich, dass seit dem überraschenden Tod des Ex-Vorsitzenden Jung "eine Integrationsfigur fehle."

Der Ortsvertrauensmann von Bruchhof-Sanddorf, Thomas Morsch, der sich selbst als "Ehrenämtler durch und durch" bezeichnet, appelliert an die "Vernunft der Mitglieder und die Kraft zur Einigung. Dazu gehören auch Mut und viel Herz." Auch wenn der Verein etwa mit Altersproblemen zu kämpfen habe, sei er doch ein sehr wichtiger Kulturträger im Ort.

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HintergrundDie Industrialisierung und die Arbeiterbewegung ab 1850 sind die Mit-Auslöser für die Gründung von politischen Vereinigungen und Verbänden und vor allem von vielen Vereinen. In diese Zeit fällt auch im Frühjahr 1883 die Gründung des Schmidt'schen Gesangvereins Bruchhof im Gasthaus Mannschatz. Die Turn- und Gesangvereine waren in unserer Region weit verbreitet, die oft auf Grund ihrer Mitglieder aus der Arbeiterschaft auch politisch motiviert waren. Als Gegengewicht zu Arbeitervereinen entstanden auch katholisch-geprägte Vereine. Der Patriotismus unter Bismarck und im Vorfeld des Ersten Weltkrieges fand bei den Vereinen großen Anklang. Viele nicht-politische Vereine ließen sich auch von den Nazis für ihre Zwecke instrumentalisieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es mit Duldung der französischen und amerikanischen Besatzer eine Welle von Neu- oder Wiedergründungen. Als Folge der Studentenbewegung und ihrer kritischen Haltung gegenüber den Vereinen begann der Mitgliederrückgang. Die Gemischten Chöre konnten den Sängerschwund nur teilweise aufhalten. jkn

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