Ein Beobachter, der am Rande steht

Saarbrücken. "Ich bin kein Schriftsteller, sondern ein schreibender Übersetzer", sagte Jörg Ruthel am Montag im Saarländischen Künstlerhaus

Saarbrücken. "Ich bin kein Schriftsteller, sondern ein schreibender Übersetzer", sagte Jörg Ruthel am Montag im Saarländischen Künstlerhaus. Dort stellte der im Saarland aufgewachsene Autor, Jahrgang 1958, Wohnsitz Frankreich, vor recht erfreulicher Zuschauerschar sein Buch "Zwischen gestern und hier" vor, erschienen als Band 27 der vom Saarländischen Schriftstellerverband herausgegebenen Topicana-Reihe.Erzählungen aus Frankreich zwischen gestern und hier? Oder zwischen gestern und gestern, was der französischen Bedeutung von "hier" entspricht? Genau auf diese Problematik des Doppelsinns, die so ein Titel für mehrsprachige Leser haben muss und die Ruthel als "erlesenes Verstummen" bezeichnet, hebt er als schreibender Übersetzer ab: Es geht ihm um die Vermittlung einer wesentlichen Erfahrung, die sich wie ein roter Faden durch die insgesamt sechs Erzählungen des Bandes zieht. Erzählungen von Touristen und Immigranten, alten und neuen Freunden, Hochzeiten und Familienzwisten, über Identitätsfindung und das Schwanken zwischen Einfühlung und Abkehr, Hingabe und Misstrauen.

Und noch einem weiteren Aspekt, der seinem Übersetzer-Beruf geschuldet ist, trägt Ruthel Rechnung: Er schreibt von der Warte des randständigen, "teilhabenden Beobachters", dessen Interesse der Wahrnehmung und Interpretation menschlicher Verhaltensweisen und Facetten des Erlebens gilt.

Von einer dezidierten Beobachtungsgabe bei gleichzeitiger Neutralität des Erzählers zeugt etwa seine Geschichte über das Pariser Café eines anglophilen Italieners, der gegen den Widerstand seiner Bediensteten eine Symbiose aus interkontinentalem und französischem Flair anstrebt. Distanziert ist der Ton auch in der Erzählung über ein ehemaliges Paar, das sich nach 15 Jahren zufällig wieder begegnet und wenig zu sagen hat - das Phänomen der "anderen Sprache" wird hier auf eine höhere Ebene gehoben. Wie viele eigene Erfahrungen da drin steckten, wollte ein Zuhörer wissen. "Viele" antwortete Ruthel lächelnd und verwies auf die Collage-Technik. kek

Jörg Ruthel ist am Dienstag, 26. März, 20.04 Uhr, auf SR2 Kulturradio in der Reihe "Literatur im Gespräch" zu hören.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort