Ein Ausflugstag zum Schraubstock

Saarbrücken · Am Girls' Day lernen Mädchen „typische Männerberufe“ kennen. Aber noch reden ihnen ihre Familien danach oft solche Berufe wieder aus.

 Seit 2012 nimmt Saarstahl am Girls' Day teil. Seitdem hat sich im Unternehmen der Frauenanteil bei den Auszubildenden verdreifacht. Foto: Saarstahl

Seit 2012 nimmt Saarstahl am Girls' Day teil. Seitdem hat sich im Unternehmen der Frauenanteil bei den Auszubildenden verdreifacht. Foto: Saarstahl

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Automechaniker, Feuerwehrmann, Bauarbeiter und Elektriker sind immer noch typische Männerberufe. Junge Frauen wählen oft eine Ausbildung oder ein Studium, werden dann Fachverkäuferin, Friseurin oder Lehrerin. Seit Hunderten von Jahren entscheiden sich Frauen und Männer für rollentypische Berufe. Und das lasst sich schwer ändern.

Diese Erfahrung macht auch Justus Wilhelm, Bereichsleiter Fachkräftesicherung bei der Handwerkskammer des Saarlandes. Viele Mädchen denken von sich selbst, dass sie nicht stark oder gut genug für "typische Männerberufe" seien, erklärt er weiter. Am Girls' Day, 27. April, haben jungen Frauen in einigen Unternehmen in Saarbrücken die Möglichkeit, in Berufe aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Handwerk und Naturwissenschaften reinzuschnuppern.

Viele Mädchen seien einer Arbeit als Schweißerin oder Elektrotechnikerin nicht abgeneigt. Denn sie erkennen, dass diese Berufe eine ruhige Hand, eine sorgfältige Arbeitsweise und viel Übung brauchen. Eigenschaften, die Frauen ebenso wie Männer besitzen. "Junge Frauen sind überrascht, wie viel Spaß die Arbeit eines Malers, Schweißers oder Tischlers machen kann", sagt Wilhelm. Der Girls' Day wecke bei vielen Mädchen das Interesse an einem handwerklichen Beruf.

Sobald sie jedoch die typischen Frauenberufe meiden, stoßen sie Wilhelm zufolge auf Vorurteile. "Oft sind es die Eltern und Verwandten des Kindes, die nicht wollen, dass ihre Tochter Mechatronikerin oder Informatikerin wird. Sie reden dem Kind den Beruf aus, indem sie ihm sagen, das sei doch ein reiner Männerberuf und nichts für ein Mädchen", sagt Wilhelm. Mit diesem Vorurteil müsse gebrochen werden. "Das Thema muss an die Öffentlichkeit, denn der Frauenanteil in typischen Männerberufen ist immer noch zu niedrig", sagt er weiter.

Im vorigen Jahr haben 1045 jungen Mädchen eine Ausbildung bei der Handwerkskammer des Saarlandes begonnen. Bei einer Gesamtzahl von 4993 Auszubildenden ist also fast jeder vierte Lehrling eine Frau. Die Saarbrücker Frauenbeauftragte Petra Messinger ist ebenfalls der Meinung, dass trotz steigender Zahlen der Girls' Day "nötiger denn je" sei.

"Immer noch finden sich Mädchen trotz hochwertigerer Schulabschlüsse in typischen Frauenberufen, die schlechter bezahlt sind und weniger Aufstiegschancen bieten als Männerberufe", sagt Messinger. Aber der Girls' Day allein reiche nicht aus, um eine bessere Verteilung der Geschlechter in der Berufswelt zu fördern, erklärt sie: "Frauenberufe müssen aufgewertet und besser bezahlt werden, dann werden sie auch für Männer interessanter. Appelle allein nützen nichts."

Auch Saarstahl versucht seit Jahren, das Interesse junger Frauen für Berufsfelder zu wecken, auf denen das Unternehmen ausbildet. Das Schweißen und das Bedienen großer Maschinen seien zwar keine Männerdomänen mehr, sagt Werkstattleiter Eric Coenen. Aber: "Nach außen macht unser Unternehmen für viele junge Frauen nur Dreck und Stahl. Wir versuchen den Mädchen am Girls' Day zu zeigen, dass Stahlherstellung mehr ist als nur grobe Männerarbeit." Die Ausbildungszahlen bei Saarstahl zeigen, dass der Girls' Day heutzutage weiterhin notwendig ist. Im vergangenen Jahr waren etwa 16 Prozent der Saarstahl-Azubis junge Frauen. Früher, ohne Girls' Day, lag der Anteil nur bei rund fünf Prozent, sagt Coenen.

In der heutigen Gesellschaft sei Saarstahl immer noch auf Werbung und Aktionstage wie den Girls' Day angewiesen, um junge Frauen für Berufe im Unternehmen zu interessieren.

"Damit Mädchen von sich aus einen technischen Beruf ergreifen und Jungs einen Pflegeberuf - dazu fehlen uns immer noch die Vorbilder", sagt die Saarbrücker Frauenbeauftragte Messinger. Aus diesem Grund seien die Angebote der Unternehmen, die am Girls' Day ihre Türen für junge Mädchen öffnen, derzeit noch unverzichtbar.

Zum Thema:

Der Verein ArbeitsLeben, Wirtschaft, Schule (Alwis) organisiert einmal im Jahr den "Girls' Day" im Saarland. Er soll Mädchen helfen, Berufe zu entdecken, die bevorzugt von Jungs ausgeübt werden. Fragen zu Praktikum, Ausbildung oder Studium können die Mädchen vor Ort klären. Im Regionalverband Saarbrücken gibt es in diesem Jahr 42 Angebote mit etwa 658 Plätzen für Mädchen ab Klassenstufe fünf. Bis Mittwoch, 26. April, 12 Uhr, sind Anmeldungen für den Aktionstag noch möglich, unter www.girls-day.de

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