Für das Saarland im Bundestag Ein Abgeordneter mit zwei Gesichtern

Saarbrücken · In einer Serie stellt die SZ die Bundestagsabgeordneten aus dem Saarland vor. Heute Teil 4: Christian Wirth von der AfD.

 Christian Wirth bei einer seiner bislang drei Reden im Bundestag. Im Hintergrund Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU).

Christian Wirth bei einer seiner bislang drei Reden im Bundestag. Im Hintergrund Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU).

Foto: Alle Rechte beim Dt. Bundestag/Achim Melde

Als Christian Wirth am 1. Februar 2018 erstmals ans Rednerpult des Deutschen Bundestages trat, spürte er „ein erhebendes Gefühl“. Es sei ein Gefühl, „als ob man auf ein Zehn-Meter-Brett steigt und es ist kein Wasser im Becken“, sagt der 55-Jährige. Er gehört dem Innenausschuss des Bundestags an und bearbeitet dort das Kernthemen der Partei: Zuwanderung.

Es fällt schwer, Wirth in der AfD eindeutig zu verorten. Der Gegenspieler von AfD-Landeschef Josef Dörr hat zwei Gesichter. Das eine ist das moderate: Wirth geht auf Distanz zu den Entgleisungen der AfD-Spitzenleute. Über die Worte von AfD-Fraktionschefin Alice Weidel, die über „Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse“ gespottet hatte, sagt Wirth: „Das ist nicht meine Sprache.“ Und was sollte es, dass Alexander Gauland die NS-Diktatur als „Vogelschiss“ kleinredete? „Das frage ich mich auch“, sagt Wirth. „Gauland macht nichts aus Versehen. Ich brauche das nicht, in Westdeutschland braucht es kein Mensch.“ Einige Sätze bedienten „die Fankurve in Ostdeutschland“, er plädiere aber für weniger solcher Reden. Zu diesem moderaten Wirth passt, dass der Rechtsanwalt mit Kanzlei am Niederwürzbacher Weiher von seinem offenbar ordentlichen Verhältnis zu Abgeordneten anderer Fraktionen, etwa Oliver Luksic (FDP), berichtet.

Andererseits gibt es jenen Wirth, dem die konservative „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ kürzlich „geistige Brandstiftung“ bescheinigte, unter anderem wegen der Aussage, es gebe viele Kulturen auf der Welt, aber nur eine Zivilisation: die europäische. Dieser Wirth sieht in Brüssel und Berlin Politiker am Werk, die den „Nationalstaat schreddern“ und „die Bevölkerung austauschen“ wollen. „Es kann nicht unsere Aufgabe sein, Millionen aufzunehmen“, sagt Wirth. Seine Rechnung: Die zwei Millionen Migranten der vergangenen Jahre dürfe man nicht in Relation zu den 80 Millionen Einwohnern setzen, sondern zu den vier Millionen Männern unter 40. Abgesehen davon, dass nicht alle Flüchtlinge Männer zwischen 18 und 40 sind, gibt es in Deutschland laut Statistischem Bundesamt nicht vier, sondern mehr als neun Millionen deutsche Männer unter 40. Auf Nachfrage räumt Wirth einen „kleinen Fehler“ ein und verweist auf einen Beitrag auf der Internetseite www.wissensmanufaktur.de, der den „importierten Männerüberschuss“ problematisiert.

Dass es sich bei den Migranten überwiegend um Verfolgte handelt, bestreitet Wirth. „Syrien ist weitgehend befriedet“, sagt er. Die Menschen kämen der „Kohle“ wegen nach Deutschland. Viele Flüchtlinge machten ja auch in Damaskus Urlaub. Woher er das alles weiß? „Aus ausländischen Zeitungen“, sagt Wirth. Die deutschen Medien berichteten nicht darüber. Über die Flüchtlinge sagt er: „Die holen sich, was sie wollen.“ Es sei nun einmal das Wesen des Islams, „die Welt zu erobern“. Wenn er durch Städte gehe, bekomme er Angst, auch in Saarbrücken, seine Töchter seien schon „angemacht und angepöbelt“ worden. Wirth sagt auch, er glaube nicht an die Integrierbarkeit der Menschen aus dem Nahen Osten.

Apropos Glauben: Aus der evangelischen Kirche ist Wirth ausgetreten („Ich glaube nicht“). Auch die FDP hat er 2004 verlassen, weil ihm die Liberalen zu wenig patriotisch wurden, wie er sagt. Inzwischen ist Wirth auch für einen stärkeren Sozialstaat. Deutschland sei ein reiches Land: „Wenn ich sehe, was unten beim Volk ankommt, ist das beschämend.“

Die AfD sieht er als Partei, die mehreren Flügeln Platz bietet, weshalb Wirth auch dagegen ist, den Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke aus der Partei auszuschließen. Höcke sei „sehr national ausgerichtet“, aber ein Demokrat. „Wir sind immer noch eine Bürgerbewegung und repräsentieren zum Teil auch die Straße“, sagt Wirth.

Für seine Partei wünscht sich der Abgeordnete, dass sie den Weg der FPÖ in Österreich geht, also Regierungsverantwortung anstrebt. Aber nicht als Kleinpartei. Wenn die Union im Bund bei „Mitte 30 Prozent“ und die AfD bei „Mitte 20 Prozent“ stehe, dann könne er sich das vorstellen. Für eine Koalition müsse die CDU aber erst „von den Merkelianern gereinigt“ werden. Aber ein Politiker aus der CDU, der für die AfD als Bundeskanzler akzeptabel wäre, fällt Wirth auch bei längerem Nachdenken nicht ein.

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