Kostenloser Haarschnitt für Obdachlose in Saarbrücken Barber Angels: Mit Schere, Charme und Lederkutte

Saarbrücken · Die ehrenamtlichen „Barber Angels“ haben Bedürftigen im Saarbrücker Bruder-Konrad-Haus kostenlos die Haare gestutzt. Manch einem Frisierten verleiht das Zuversicht.

 Peter Schwarz (Mitte) von den „Barber Angels“ stutzt Sven Hassel Bart und Haare. Björn Hary (links) ist mit einem weiteren Kunden beschäftigt.

Peter Schwarz (Mitte) von den „Barber Angels“ stutzt Sven Hassel Bart und Haare. Björn Hary (links) ist mit einem weiteren Kunden beschäftigt.

Foto: BeckerBredel

Es ist ein besonderer Sonntagmorgen im Saarbrücker Bruder-Konrad-Haus. 14 Menschen unterschiedlichen Alters sitzen im Aufenthaltsraum im ersten Stock und warten auf Leute in Lederkutten, die gerade dabei sind, Werkzeugtaschen auszupacken. Es sind ausgebildete Frisöre. In ihren Taschen sind Schneidemaschinen, Pinsel und Schaumfestiger.

Was dahinter steckt? Im Herbst 2016 sieht der im schwäbischen Biberach an der Riß beheimatete Frisör Claus Niedermeier einen Fernsehbericht über Obdachlose und ist ergriffen. Und entschlossen. Er will helfen. Und so kommt es, dass er ein paar Kollegen mobilisiert und am 27. November vor genau zwei Jahren die „Barber Angels Brotherhood“ ins Leben ruft. Die Barber Angels sind ein Verein von Frisören, die in ihrer Freizeit Mittellosen die Haare schneiden. Was vor zwei Jahren recht bescheiden anfing, hat sich mittlerweile zu einer professionell geführten Organisation von 260 Mitgliedern entwickelt. Die Anspielung im Namen „Angels“ auf das äußerliche Erscheinungsbild der bekannten Motorradgang ist übrigens weniger eine Sympathiebekundung – Gründer Niedermeier fährt nicht mal Motorrad –, als vielmehr eine Art ironische Interpretation des Zusammenhalts. „Nur zusammen sind wir stark“ ist der Wahlspruch, sagt das „Barber Angels“-Mitglied Peter „Pete“ Schwarz. Der gut aufgelegte Saarländer ist seit vorigem Jahr bei der Bruderschaft. Den 37-jährigen Björn „Dirty Harry“ Hary, der unter dem Titel „Zenturio“ als saarländischer Regionalleiter des Frisörenvereins tätig ist, kennt er noch von dessen Gesellenprüfung. „Es Saarland is jo klään“ – und das hat auch Vorteile: Mit der Werbung für den guten Zweck konnte man im Saarland bisher neun Mitglieder gewinnen. Und auch im Bruder-Konrad-Haus sind mit Carola Ferber und Christina Hille zwei neue „Gast-Engel“ dabei.

Was motiviert einen Frisör, in seiner Freizeit kostenlos Haare zu schneiden? Es ist, wie sie sagen, die Empathie gegenüber bedürftigen Menschen, die oft von Schicksalsschlägen gezeichnet sind. Für Björn Hary war es klar eine „Veränderung der Sichtweise. Viele sind zuerst voreingenommen, auch wenn sie das Leben auf der Straße gar nicht kennen.“ Auch Peter Schwarz meint: „Das Leben hat sich total verändert. Es gibt einem viel zurück, zufriedene und glückliche Menschen zu sehen. Man muss sich das einmal klarmachen: Wir haben Essen in Hülle und Fülle, stehen unter der Dusche und überlegen, ob wir bei 30 oder 35 Grad warm duschen wollen, während andere im T-Shirt draußen schlafen.“ Ein Kunde umreißt seine Geschichte: Als ausgelernter Industriemechaniker hat er zwei Jahre im Saarland gearbeitet und gut verdient, bis er eines Tages seine Anstellung verloren hat. Mit neuer Frisur und getrimmtem Bart verleihen ihm die Angels wieder etwas Zuversicht für die Suche nach einer neuen Stelle, die der Anfang 40-Jährige nun außerhalb des Saarlandes zu finden hofft.

„Die Haare bitte zur Hälfte ab“, sagt ein Kunde, der gerade Platz genommen hat. „Hälfte dranlassen oder Hälfte abmachen?“, witzelt Peter Schwarz. „Jo, so viel Auswahl haben wir nicht“, muss Hary nebenan einem Kunden mit sehr lichtem Haupthaar gestehen. Kurz darauf verlässt der erste Kunde mit frisch frisiertem Antlitz den Stuhl, ist zufrieden, bedankt sich scheu. Zum Abschluss bekommen die Kunden ein „Care-Paket“ mit diversen Pflege­utensilien geschenkt. „Es geht auch darum, den Leuten wieder Selbstvertrauen und Würde zurückzugeben, sie kriegen sozusagen ein neues Gesicht“, sagt Björn Hary.

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