Die Unruhestifter aus Saarbrücken

Saarbrücken · Die Initiative Zores bietet syrischen Künstlern eine Plattform im neuen Zuhause. Dort wollen sie als Kreative wahrgenommen werden – und so endlich das Flüchtlingsetikett loswerden.

 Bei einer der ersten Zores-Aktionen, einem Flashmob Mitte März, zeigten Damaszener Breakdancer, was sie drauf haben. Foto: Ute Haupenthal/Zores

Bei einer der ersten Zores-Aktionen, einem Flashmob Mitte März, zeigten Damaszener Breakdancer, was sie drauf haben. Foto: Ute Haupenthal/Zores

Foto: Ute Haupenthal/Zores

Sorgen. Das bedeutet das jiddische Wort Zores, und viele kennen es wohl daher. Aber ums Jiddische geht es gar nicht bei Zores, Zohres oder Zoores - die Gruppe selbst hält es mit der Schreibweise offen. Mit Zores ist der saarländische Ausdruck gemeint, also "Mach keinen Zores!", den sie aber eben doch machen wollen: Astrid Hilt, Tochter Ella-Maria, Michael Preßer und all die anderen, die bei der Initiative dabei sind. Es werden immer mehr, und alles ist noch so frisch. Im Dezember haben sie den Namen gefunden und damit quasi dem etwas Offizielles verliehen, was sie die ganze Zeit schon getan haben: an etwas rütteln, etwas in Bewegung setzen, Energie freisetzen, "Unruhe stiften, aber halt im positiven Sinne", sagt Michael Preßer und erklärt damit gleichzeitig auch, was Zores hier im Saarland bedeutet.

Nicht dass er selbst schon Zores genug hätte als freischaffender Kameramann und Firmeninhaber. Aber als die vielen Flüchtlinge ins Saarland kamen, begann er, sich in der Initiative "Ankommen" zu engagieren. Hierüber kam er zum Theaterprojekt "Morgen wird schöner" und traf Bildhauerin Astrid Hilt. Langsam entstand eine Szene, immer mehr Leute lernten sich kennen. Ideen kamen zusammen. In der Flüchtlingshilfe machte "Zores - Kommunikation durch Kunst" die ersten Schritte.

Eine wichtige Energiequelle bildeten dabei die vielen Künstler unter den Syrern und anderen, die an der Saar Sicherheit suchten. Da sind auch richtige Hochkaräter dabei, sagt Preßer, Theaterregisseure, Mitglieder der Oper von Damaskus, professionelle Maler und Schauspieler. Der Maler Haytam ist so einer. Astrid Hilt erzählt, wie er das erste Mal bei einem Künstlerstammtisch auftauchte. Skeptisch saß er da in abwehrender Körperhaltung, zu der ihn seine Zeit in einer vollen Gemeinschaftsunterkunft modelliert hatte. Bei dem Treffen kam jemand auf die Idee, ihm einen frei gewordenen Platz in der "Manufaktur der schönen Dinge" anzubieten. "Und dann hat er erst mal 48 Stunden durchgemalt, so feurig und bunt, wie es nur ging." Die Leute von Zores wollen das alles mitteilen, auf künstlerische Art. Beim "Zores-Fläshmobb", wie der Verein die Aktion im März nannte, haben schon Breakdancer aus Damaskus die bei der 1400 Kilometer langen Flucht durchgelaufenen Beine durch die Luft gewirbelt. Ein syrischer Fotograf konnte über Zores seine Fotos im Saarland zeigen.

Die Flucht selbst ist kaum ein Thema in den Arbeiten und Darbietungen der Künstler aus Damaskus, Aleppo und allen anderen Städte, deren Namen wir mittlerweile auswendig kennen. "Die Leute wollen, dass die Flucht endlich aufhört", sagt Astrid Hilt. "Je mehr man mit ihnen zu tun hat, merkt man, dass sie den Stempel Flucht nicht aufgedrückt haben wollen", steuert Ella-Maria bei. Heimat schon, Einflüsse von Zuhause, Erinnerungen und so, aber nicht die Flucht.

Und das ist auch der Ansatz von Zores, sagt Michael Preßer: nicht zeigen, hier ist ein Flüchtling. Zores will allen eher eine Plattform bieten und Flüchtlingen dabei helfen, mit ihrer eigenen Kunst hier Fuß zu fassen, und vielleicht auch mal jemandem in den eigenen Reihen dabei zuzusehen, wie er oder sie langsam zu einem Star wird. Längst ist die projektbezogene Initiative auch nicht mehr auf Flüchtlinge begrenzt. In der Flüchtlingshilfe ist aber die Idee entstanden.

Und dass dabei das Politische mitschwingt, ist klar. Sie sind aber nicht parteipolitisch. "Wir wollen schöner sein als die, die etwas dagegen haben", lauter sein als die einschlägigen Gestalten, die Stimmung machen gegen das Gemeinsame, sagt Astrid Hilt. Zores machen eben, wie dann zum Beispiel vielleicht auch im Sommer wieder mit einem großen Künstlertreffen in der Neunkircher Ecke. Aber das ist bisher noch eine Idee.

 Sie nutzen Kunst, um Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen (von links): Ella Maria Hilt, Astrid Hilt und Michael Preßer. Foto: Iris Maurer

Sie nutzen Kunst, um Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen (von links): Ella Maria Hilt, Astrid Hilt und Michael Preßer. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

zoressaarland

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort