Die "Seismografen des Parlaments"

Berlin. 130 000 Unterschriften, ein Ziel: Im vergangenen Sommer sorgte eine Online-Petition gegen die Sperrung von Internet-Seiten für Aufruhr. Wenn der Petitionsausschuss des Bundestages in diesen Tagen über diese Beschwerde verhandelt, können die Unterzeichner bereits einen Erfolg verbuchen: Keine Partei will mittlerweile noch den Sperr-Paragrafen

Berlin. 130 000 Unterschriften, ein Ziel: Im vergangenen Sommer sorgte eine Online-Petition gegen die Sperrung von Internet-Seiten für Aufruhr. Wenn der Petitionsausschuss des Bundestages in diesen Tagen über diese Beschwerde verhandelt, können die Unterzeichner bereits einen Erfolg verbuchen: Keine Partei will mittlerweile noch den Sperr-Paragrafen. Bereits seit Gründung der Bundesrepublik kann sich jeder Bürger mit einer Petition an den Bundestag wenden, seit 2005 sogar per Internet unter epetitionen.bundestag.de. Wer der Meinung ist, dass sein Gesuch von allgemeinem Interesse ist, kann es so auch öffentlich machen und Mitstreiter suchen. Kommen binnen sechs Wochen mindestens 50 000 Unterschriften zusammen, muss es der Petitionsausschuss, eine Arbeitsgruppe von Bundestags-Abgeordneten, in einer öffentlichen Sitzung auf die Tagesordnung setzen. Mehr Teilhabe, mehr Offenheit: Politikwissenschaftler sehen in dem Instrument große Chancen für die Demokratie. "Die Online-Petitionen ersetzen Brief oder Postkarte nicht, sondern ermöglichen eine neue politische Debattenkultur", sagt der Politologe Stephan Bröchler von der Uni Gießen. 600 000 Nutzer haben sich bisher registriert. Von 18 000 Petitionen kamen im vergangenen Jahr rund 5000 über die Online-Plattform. Die Forderungen reichen vom Verbot, Steuersünder-CDs zu kaufen, bis zum Verkaufsstopp für Plastiktüten. Die meisten Vorschläge haben deutlich weniger als 1000 Unterzeichner.Die Anregungen bearbeitet der Petitionsausschuss in akribischer Fleißarbeit - sieht er sich doch als "Seismografen des Parlaments". Große Außenwirkung erzielen die Abgeordneten damit aber nicht. "Petitionen werden im Petitionsausschuss überwiegend unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert, im Plenum des Bundestags jedoch gar nicht", sagt Ulrich Riehm, Projektleiter für Online-Petitionen. Die Hoffnung, mit dem direkten Draht in den Bundestag andere Bevölkerungsgruppen zu erreichen als mit klassischen Petitionen, etwa per Postkarte oder Telefax, ist nur bedingt aufgegangen. Hauptsächlich junge Bürger nutzen laut einer Studie das Instrument intensiv.Kritiker finden die Software altbacken, zudem stürzen die Server bei zu hoher Last ab. Ulrich Riehm ist trotzdem zufrieden: "Durch die öffentliche Online-Petition ist die mediale Aufmerksamkeit für das Petitionswesen deutlich größer geworden."

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