Die Pfingst-Infektion

Wenn man hustet, hält man die Hand vor den Mund. Nicht nur, weil das der Anstand gebietet, sondern auch wegen einer möglichen Infektionsgefahr. Doch es muss gar nicht der Husten sein, schon der Atem kann unangenehm und überdies gefährlich sein. Ärzte und Krankenpfleger tragen deshalb im Operationssaal einen Atemschutz

Wenn man hustet, hält man die Hand vor den Mund. Nicht nur, weil das der Anstand gebietet, sondern auch wegen einer möglichen Infektionsgefahr. Doch es muss gar nicht der Husten sein, schon der Atem kann unangenehm und überdies gefährlich sein. Ärzte und Krankenpfleger tragen deshalb im Operationssaal einen Atemschutz. Uns sind noch die Bilder der Menschen in Mexiko vor Augen, die sich wegen der Schweinegrippe nur mit Mundschutz auf die Straße trauten.

Der Atem transportiert aber auch anderes, nämlich das Wort, das tot und leer sein kann, das verletzt oder aufbaut, das tröstet oder niedermacht, das Nähe und Liebe schenkt oder beides verweigert. Es gibt aber auch einen Hauch, von dem man gar nicht so genau weiß, was er eigentlich ist und der dennoch einen Menschen stark bestimmen kann. Wir sagen etwa einer sei politisch so oder so angehaucht. So oder so! Es gibt also mehrere, unterschiedliche, völlig verschiedene Einflüsse und Einflüsterungen, so unterschiedlich wie die Winde und Windrichtungen.

Auch der Atem des Menschen ist nicht nur gefährlich. Ich kann die kalten Finger mit ihm anwärmen. Einem Kind, dem der Vater über die Schramme bläst, tut der Atem wohl. Liebende genießen den Hauch des Partners. Dem Bewusstlosen, der von Mund zu Mund beatmet wird, rettet der Atem das Leben.

Atem kann also beides sein: Gifthauch und Lebensatem, er kann verpesten oder gut riechen. Er kann wie ein edles Parfum sein, das von jemandem ausgeht: von Gedanken und Worten und vor allem von Menschen.

Etwas Ähnliches ist den Jüngern Jesu an Pfingsten widerfahren. Sie haben sich eine "Infektion" zugezogen, keine giftige sondern eine heilsame. Es erfasste sie der "Atem", der "Hauch" ihres zum Vater heimkehrenden Meisters Jesu. "Er hauchte sie an", heißt es. Im Griechischen steht hier dasselbe Wort wie am Anfang der Bibel, als Gott dem Menschen den Lebensatem einhauchte.

Pfingsten geschieht also immer dann, wenn Menschen "angehaucht" sind von Jesus, wenn sie angesteckt sind von seinem Geist, wenn seine frohe Botschaft sie von innen her erfasst. Und wer vom Geist Jesu angesteckt ist, der steckt wiederum andere an. Der Evangelist Johannes nennt das "Sendung". Das "Bakterium", das übertragen wird ist Friede, Freude und die Kraft der Vergebung. Nach wie vor gibt es kein anderes "Gegengift" gegen den Hass und gegen das Misstrauen. Dass Wunden sich verklären können ins Licht, dass Schmerz sich wandeln kann in Freude, dass Leid reifen kann in Reichtum des Lebens, das bewirkt der Geist Jesu. Wir brauchen diesen guten Geist Jesu dringender denn je. Jeder Mensch will leben. Der Geist schenkt uns dieses Leben. Deshalb betet die Kirche an Pfingsten um diesen Geist: für sich und für alle Menschen.

Manfred Thesen ist Dechant des Dekanates Merzig und Pfarrer in Hilbringen St. Petrus und Mondorf St. Johannes der Täufer.

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