Saartalk „Die parlamentarische Demokratie ist in Gefahr“

Alice Hoffmann und Oskar Lafontaine diskutierten darüber, warum rechte Parteien erstarken und Karl Marx heute noch aktuell ist.

 Die Schauspielerin Alice Hoffmann und der Linken-Politiker Oskar Lafontaine stellten sich im „Saartalk“ den Fragen der Chefredakteure Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ, v.l.n.r.).

Die Schauspielerin Alice Hoffmann und der Linken-Politiker Oskar Lafontaine stellten sich im „Saartalk“ den Fragen der Chefredakteure Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ, v.l.n.r.).

Foto: Oliver Dietze

Der Saartalk ist ein gemeinsames  Format von SR und SZ. Diesmal stellen sich die saarländische Schauspielerin Alice Hoffmann und der Linken-Politiker und frühere Ministerpräsident des Saarlandes, Oskar Lafontaine, den Fragen der Chefredakteure Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ). Ute Kirch hat das Gespräch in Auszügen dokumentiert.

Herbst: Warum sind aktuell so viele Saarländer in Spitzenpositionen im Bund?

LAFONTAINE Ganz einfach: Die Saarländer sind besonders begabt.

HOFFMANN Ich habe mal einen Sketch gemacht, dass es Annegretsche mich ja nachmacht und deswegen so berühmt ist, also richtig so mit Scherz und Dialekt, also an Faase­nacht zumindest.

Herbst: Kramp-Karrenbauer hat das Amt als Ministerpräsidentin aufgegeben, um CDU-Generalsekretärin zu werden. Nötigt Ihnen das Respekt ab?

LAFONTAINE Zumindest das Risiko, das sie eingeht. Im Grunde hat sie das Amt nicht aufgegeben, um Generalsekretärin zu werden, sondern Kanzlerkandidatin zu werden.

Klein: Sind solche Kandidaturen planbar?

LAFONTAINE Die Kandidaturen lassen sich schon etwas planen. Aber sie sind nicht nur von einem einzelnen bestimmbar. In meinem Fall war es so, dass ohne die Wahlergebnisse an der Saar die Kandidatur nicht diskutiert worden wäre. Bei Frau Kramp-Karrenbauer ist das anders. Sie hat ein gutes Verhältnis zu Frau Merkel, sie haben sich wohl schon ein bisschen abgesprochen, unterstelle ich mal (. . .) Wenn das so ist, ist die Entscheidung, als Generalsekretärin anzufangen, richtig.

Klein: Plötzlich war Tobias Hans Ministerpräsident. Hatten Sie den auf dem Schirm?

LAFONTAINE Ja, denn ich habe die CDU etwas beobachtet. Mehr und mehr war mir klar, dass er auch einer sein könnte, der die Nachfolge antritt.

HOFFMANN Ich habe ihn gar nicht gekannt.

Klein: Wie geschickt hat sich Tobias Hans eingeführt?

LAFONTAINE Er bemüht sich jetzt natürlich, seinen Bekanntheitsgrad zu steigern. (. . .) Er ist ein junger Mann, er hat jede Chance, jetzt muss man mal sehen, was er bringt.

Herbst: Sie haben in einer SR-Produktion die Haushälterin von Karl Marx, Lenchen Demuth, gespielt. Was bedeutet das Erbe von Marx für Sie?

HOFFMANN Ich bin mit 16 Jahren in den sozialistischen Schülerbund eingetreten und habe mich zunächst als Marxistin bezeichnet. Für mich war klar: Hier ist auf der einen Seite die Arbeiterklasse und auf der anderen Seite das Kapital. Und die Kapitalisten sind reich, weil sie die Arbeiterklasse ausbeuten. (...) Das hat Marx im Grunde – natürlich viel wissenschaftlicher – so geschrieben. Und im Großen und Ganzen ist das heute noch so gültig.

Klein: Bei den Feiern zu Karl Marx 200. Geburtstag gab es von Frau Kramp-Karrenbauer mahnende Worte. Wenn man sich die Gesamtwirkung von Marx auf die Geschichte anschaue, bestehe zum fröhlichen Feiern kein Anlass.

LAFONTAINE Das fand ich daneben. Marx hat keine Verantwortung für das, was in all den Jahren aus seiner Lehre gemacht worden ist.

Herbst: Ihre letzte Initiative war eine linke Sammelbewegung. Der Zuspruch war vergleichsweise dürftig. . .

LAFONTAINE Er war nicht so stark wie er sein sollte, er ist aber stärker, als es nach außen bisher deutlich geworden ist. Das ist für mich aber kein großes Problem. (. . .) Ich vertrete die Idee weiter. Wir haben eine merkwürdige Situation in Deutschland: Die Mehrheit der Bevölkerung tritt für die Ziele ein, wie einen Mindestlohn von mindestens zwölf Euro, eine andere Rentenformel, für eine bessere Arbeitslosenversicherung. . . aber Sie haben für diese Mehrheit in der Bevölkerung keine Mehrheit im Parlament.

Herbst: Auf der anderen Seite erstarken rechte Parteien. Die AfD ist stärkste Opposition im Bundestag.

LAFONTAINE Die Linke muss sich fragen: Was haben wir dazu beigetragen (. . .)? Die linken Parteien – das ist ja europaweit so – haben die Seiten gewechselt. Die traditionellen Arbeiterparteien waren am Ende auf der Seite der Unternehmer. In Deutschland war das die Agenda 2010 (. . .). So ist ja die Partei „Die Linke“ entstanden, sie hat eine Zeitlang den Protest abgerufen, aber nicht in der Form, dass daraus eine politische Mehrheit wurde. Dann kam noch die starke Zuwanderung hinzu, die bei den einkommensschwachen Schichten zu Verunsicherung führt. Dann hat eine Partei sehr viel Spielraum, die sagt: Wir sind gegen das Establishment, das sich nicht für die Bevölkerung interessiert und Ressentiments gegen Flüchtlinge schürt.

Klein: Ist die Demokratie in Gefahr?

LAFONTAINE Die parlamentarische Demokratie ist als System auf jeden Fall in Gefahr, weil sie ihren selbst gestellten Anspruch, die mehrheitliche Interessen der Bevölkerung umzusetzen, nicht erfüllt.

HOFFMANN Demokratie setzt Bildung voraus. Und bei der Bildung hängt es schon seit Jahrzehnten bei uns. Von daher ist sie immer in Gefahr.

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