Die Göttin unter den Harfen

Saarbrücken. Im Orchestergraben ist es düster, der Lichtschalter nicht zu finden. "Hier bin ich normalerweise", sagt Harfenistin Charlotte Nyborg und deutet auf den Souffleurkasten. Kaum zu glauben: Die Musikerin des Saarländischen Staatsorchesters sitzt bei einer Opern-Aufführung im Souffleurkasten

 Harfenistin Charlotte Nyborg spielt im Souffleurkasten des Staatstheaters. Foto: Oliver Dietze

Harfenistin Charlotte Nyborg spielt im Souffleurkasten des Staatstheaters. Foto: Oliver Dietze

Saarbrücken. Im Orchestergraben ist es düster, der Lichtschalter nicht zu finden. "Hier bin ich normalerweise", sagt Harfenistin Charlotte Nyborg und deutet auf den Souffleurkasten. Kaum zu glauben: Die Musikerin des Saarländischen Staatsorchesters sitzt bei einer Opern-Aufführung im Souffleurkasten. Der ist leer, die Musikerin sucht ihr Instrument, ruft: "Da ist sie, Diana! Sie ist schon etwas Besonderes: meine Lieblingsharfe." Charlotte Nyborg hat "Diana" in den 70er-Jahren in Paris gekauft.Der italienische Harfenbauer Salvi benennt seine Harfenmodelle nach Göttinnen. Diana ist aus Ahorn, Mahagoni und Rosenholz gefertigt. Eine weiche, dunkel klingende Harfe, die der Klangvorstellung der Musikerin entspricht.

Und genau darum geht es, wenn der Dirigent drei Meter vor Charlotte Nyborg steht. "Seit einem Jahr haben wir diesen Japaner (Toshiyuki Kamioka, Anm. d. Red.) als Generalmusikdirektor. Er achtet darauf, dass der Klang bei schönen Stellen natürlich durchkommt. Das ist nicht jedem Dirigenten gegeben, dieses Gefühl für Dynamik. Seit er da ist, verstehe ich wieder, dass ich damals mit 16 fasziniert war vom Klang eines Orchesters, heute bin ich 61."

Schon als Fünfjährige war die kleine Charlotte von Musik angesprochen. Wenn die Oma was Schönes auf dem Klavier spielte, spürte sie, dass sich "da was im Bauch tat". Als die 16-Jährige mit dem Harfenlernen begann, - sie hatte schon acht Jahre Klavierunterricht - habe sie das Ganze erst mal doof gefunden. "Ich war drauf und dran, das Ganze zu schmeißen, weil ich das so schrecklich fand mit den sieben Fußpedalen." Der Harfenunterricht sei "kein Zuckerschlecken" gewesen.

Auch heute fordert das Meistern des Instruments seinen Tribut. Das schräge Sitzen beim Spielen versucht die Musikerin mit Gymnastik auszugleichen. Wasserblasen oder gar Blutblasen werden mit der Rezeptur eines Drogisten, der diese fürs marschierende Militär erfand, in Schach gehalten. Die spezifische muskuläre Kraft kommt durch das Saitenspiel, die Kraft in den Fingern, die Hornhaut durchs Üben.

Geübt hat Charlotte Nyborg lange Zeit in einem Verlies, jedenfalls sieht dieser Teil des Flures zum Orchestergraben so aus. Schlechte Luft, eine Gittertüre mit Vorhängeschloss bewacht zahllose Pauken und mitten darunter: "Arianna". Auch eine Salvi-Harfe. "Arianna" ist eine Schönheit mit ihren Holzeinlegearbeiten und: So klingt sie auch. Eingezwängt an diesem unwirklichen Ort bringt die Harfenistin die Saiten zum Klingen. "Sie hat wahnsinnig Power. Sie ist so laut und stark", freut sich die Musikerin und beschreibt, was sie zudem an der Harfe fasziniert: "Es ist ein Bezug Finger zur Saite, es ist viel direkter als Finger auf Taste wie beim Klavier, da ist ja noch ein Hammer, der auf eine Saite schlägt."

Der Parkplatz einer weiteren Harfe trägt die Bezeichnung U 88, ein sogenanntes Damenstimmzimmer. Dort steht ein Schweizer Modell aus Palisanderholz. Auch das eine Doppelpedalharfe, 1,80 Meter hoch mit 47 Saiten aus Kunststoff, Darm und Metall. Aber: Die italienischen Schwestern sind eindrucksvoller. Die vierte Harfe, die Charlotte Nyborg zur Verfügung steht, ist eine deutsche Harfe aus Starnberg mit Blattgold, aber nicht zu besuchen, da in Reparatur. Bei der nächsten Turandot-Vorstellung sitzt Charlotte Nyborg wieder im Souffleurkasten im Orchestergraben des Staatstheaters, wird Töne fliegen und das Publikum staunen lassen.

 Harfenistin Charlotte Nyborg spielt im Souffleurkasten des Staatstheaters. Foto: Oliver Dietze

Harfenistin Charlotte Nyborg spielt im Souffleurkasten des Staatstheaters. Foto: Oliver Dietze

Am 8. Dezember, 19 Uhr, gastiert Charlotte Nyborg mit dem Soloprogramm "Die Harfe - Das senkrechte Klavier" in der Villa Lessing.

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