"Die EU löst eine Springflut der Armut aus"

Saargemünd. Unter Beifall rief Arsène Schmitt mehrfach in den mit rund 600 Personen gefüllten Saal des Saargemünder Rathauses: "Diese EU löst eine Springflut der Armut aus

Saargemünd. Unter Beifall rief Arsène Schmitt mehrfach in den mit rund 600 Personen gefüllten Saal des Saargemünder Rathauses: "Diese EU löst eine Springflut der Armut aus." Seit Jahren steht Schmitt an der Spitze des "Comité de Défense des Travailleurs Frontaliers de la Moselle" (Komitee zur Verteidigung der Grenzgänger im Mosel-Departement), das nach eigenen Angaben 8600 Mitglieder hat und sich für die Rechte der rund 24 000 lothringischen Pendler einsetzt, die im Saarland und in Rheinland-Pfalz beschäftigt sind. Zwar seien die Grenzgänger keine Europa-Gegner, weil sie ja täglich die Grenzen überschritten. Aber die EU sei dafür verantwortlich, meinte Schmitt bei der Generalversammlung des Grenzgängerkomitees, dass der Arbeitnehmer mit immer weniger sozialen Garantien leben müsse. Gegen den sozialen Abbau, der mit Not und Elend der Arbeitnehmer erkauft werde, müsse man protestieren. Zugleich erlebe man, dass die Spekulanten an der Börse wieder obenauf seien und munter weiter machten, während sich in der Arbeitswelt die prekären Verhältnisse ausbreiteten. Schmitt schwor seine Anhänger auf eine Frontstellung gegen die EU ein: "Wir kämpfen gegen jede Politik von Links oder Rechts, die im Sinne von Brüssel die Sozialsysteme weiter aushöhlen will." Mit dieser Haltung erntete er den scharfen Widerspruch des Hausherrn, des konservativen Saargemünder Bürgermeister Céleste Lett. Dieser hielt Schmitt entgegen, dass es zu Europa keinerlei Alternative gebe. Die Antwort auf diesen Pro-Europa-Beitrag fand der saarländische DGB-Chef Eugen Roth, der dem Bürgermeister nachrief: "Wir brauchen Sie." Denn man müsse in der EU gemeinsam auf Änderungen und Verbesserungen drängen. Zuvor hatte der Vizepräsident des Komitees, Wolfgang Niederländer, auf Auswüchse in deutschen Betrieben hingewiesen, die wohl mit den Folgen der Finanzkrise zusammenhingen. Ein Betrieb, in dem mehrere Lothringer beschäftigt seien, sei inzwischen zu einem Strafsystem übergegangen. So sollte ein Beschäftigter 2800 Euro Strafe zahlen, weil er ein Mal nicht zur Schicht kam. Ein anderer 7500 Euro, weil er auf einer Schicht zu viel Material vergeudet habe; ein Schichtführer sei wegen des gleichen Problems sogar zu 32 600 Euro Strafe verdonnert worden. Als Beispiel für die Hilflosigkeit der Grenzgänger wurde Xavier Lejeune (48) aus St. Avold präsentiert. Er wurde durch eine Operation arbeitsunfähig, bloß erkennt die deutsche Medizin, anders als die französische, seine Invalidität nicht an. Deshalb muss er mit 380 Euro im Monat auskommen, obwohl er bis zu seiner Operation gearbeitet hat.

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