Der Lyoner schweißt Saarländer zusammen

Saarbrücken. Heimat in einen Begriff oder verbindlichem Verständnis zu fassen, ist dieser Studie nicht gelungen, und war auch nicht so gedacht. "Heimat" wird in sieben verschiedenen Dimensionen erklärt: anhand des Sozialen, des Wohlgefühls, der Zeit, des Ortes oder der Landschaft, der geistigen Heimat, der Ab- und Ausgrenzung und der zunehmenden Verschmelzung von Welt mit Heimat

 Regionale Produkte wie der Lyoner-Ring, "Stixi"-Salzstangen oder das Waschmittel "Valan" in den 1950er Jahren können auch das Heimat-Gefühl prägen. Foto: Iris Maria Maurer

Regionale Produkte wie der Lyoner-Ring, "Stixi"-Salzstangen oder das Waschmittel "Valan" in den 1950er Jahren können auch das Heimat-Gefühl prägen. Foto: Iris Maria Maurer

Saarbrücken. Heimat in einen Begriff oder verbindlichem Verständnis zu fassen, ist dieser Studie nicht gelungen, und war auch nicht so gedacht. "Heimat" wird in sieben verschiedenen Dimensionen erklärt: anhand des Sozialen, des Wohlgefühls, der Zeit, des Ortes oder der Landschaft, der geistigen Heimat, der Ab- und Ausgrenzung und der zunehmenden Verschmelzung von Welt mit Heimat. Auch der Ansatz für die Studie sei "diffus" gewesen: Olaf Kühne, Direktor des Instituts für Landeskunde im Saarland, sagte: "Den Anstoss zur Studie gab der Heimattag 2006 und es gab keine empirischen Studien zu diesem Begriffsverständnis". Dazu sei privates Interesse der Autoren gekommen. Annette Spellerberg ist Professorin für Stadtsoziologie an der TU Kaiserslautern.Die beiden Wissenschaftler haben seit 2007 rund 1200 Saarländerinnen und Saarländer telefonisch, schriftlich und im persönlichen Gespräch befragt. Welchen Eindruck haben die Bewohner hinterlassen, welches Verständnis von Heimat hat die Studie ermittelt? Spellerberg fasst es in den Begriffen zusammen: "Gebräuche, Geborgenheit und Gerüche." Eine Identifikation des Saarlandes über seine Produkte - ob Nahrungsmittel oder Industrieprodukte - sei zwar nicht Gegenstand der Studie gewesen, doch, so Olaf Kühne, aus "täglicher Beobachtung" festzustellen: wie beim Lyoner-Ring oder beim Bier. Allerdings sei dies eher bei Älteren noch der Fall, jüngere Menschen identifizierten sich eher weniger über diese Dinge. "Es kommt auf die persönliche Prägung und auch die Nutzung von Medien an", sagt Kühne. Denn auf die Frage nach der politischen, örtlichen und sozialen Bedeutung von Heimat antworteten die Befragten so: am wichtigsten sei das Lesen des Lokalteils der Zeitung (83 Prozent), die Mitgliedschaft in einem Verein (67), das Ausüben eines Ehrenamtes in lokalen Einrichtungen (29), gefolgt von politischem Engagement in der Gemeinde (13). Heimat sei da, wo "man sich geborgen fühle" oder man die Kindheit verbracht habe (77). Auf der anderen Seite wurden als Gründe für "Heimatverlust" Vertreibung (62 Prozent der Befragten), Hässlichkeit der Wohnumgebung (35), Arbeitsplatz in der Fremde (30), Einsamkeit (28) und Arbeitslosigkeit (22) oder Andersdenkende (14) geäußert.Gerade an der sich zunehmend weltweit orientierenden Arbeitswelt, Stichwort "Globalisierung", sei festzustellen, so Olaf Kühne, dass für die Menschen nach einem längeren Arbeitsaufenthalt in der Fremde die Rückkehr in das Heimatland von Bedeutung ist. "Heimat ist heute quasi ein Kampfbegriff", sagt Olaf Kühne. Nach einer Verkitschung der Heimat in den 50er und 60er Jahren habe mit der Ökologie-Bewegung nach 1980 die "Vielschichtigkeit" zugenommen und den Untersuchungsgegenstand facettenreicher gemacht. "Wenn diese Untersuchung eine Botschaft haben soll, dann könnte man sie als einen Aufruf zu Verantwortungsbewußtsein für die eigene Umgebung und das sozialpolitische Gefüge, in dem man lebt, verstehen." Eine Neuauflage der Studie in zehn Jahren könnte die Entwicklung der jetzt 20- bis 30-Jährigen in den Blick nehmen. In jedem Fall ist die Studie in ihrer veröffentlichten Form auch für das breite Publikum empfehlenswert. Das Buch: Olaf Kühne/Annette Spellerberg: Heimat in Zeiten erhöhter Flexibilitätsanforderungen. Empirische Studien im Saarland. VS Verlag, Wiesbaden, 200 Seiten, 34,95 Euro. "Heimat ist heute quasi ein Kampfbegriff."Olaf Kühne, Direktor des Instituts für Landeskunde im Saarland

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