Naturschutz im Saarland Das Erbe des Professors de Lattin

Landsweiler-Reden · Die Naturforschende Gesellschaft des Saarlandes feiert am Freitag in Landsweiler-Reden ihren 50.Geburtstag

 Christine Harbusch, Vorsitzende der Delattinia.

Christine Harbusch, Vorsitzende der Delattinia.

Foto: B&K- Bonenberger & Klos/B&K Fotograf Bonenberger

Mit festem Blick schaut der Forscher auf dem Schwarzweiß-Foto unter seiner Baskenmütze hervor. Vor der Brust baumelt das Fernglas, in den Händen liegt das Wichtigste: ein Schmetterlingsnetz. Seine Leidenschaft hat Gustaf de Lattin nie losgelassen. Mit 14 Jahren begann er Schmetterlinge zu sammeln, jede Minute seiner Freizeit verbrachte er damit – sogar im Zweiten Weltkrieg, als Soldat in Russland: 1942 in Leningrad. 1943 in Murmansk. Bis zu seinem frühen Tod mit 55 Jahren im August 1968 in Saarbrücken kamen so Tausende Schmetterlinge zusammen und eine ebenso beeindruckende Zahl an Käfern, Zikaden und Heuschrecken.

De Lattin reiste viel, studierte Zoologie, Botanik und Genetik. Nach Stationen in Würzburg, Mainz und Hamburg wurde er 1960 Ordinarius und Direktor des Zoologischen Institutes der Universität des Saarlandes. Noch sechs Wochen vor seinem Tod gründete er 1968 die Arbeitsgemeinschaft für tier- und pflanzengeografische Heimatforschung im Saarland. „Mit seinem Wissen und dem, was er uns hinterlassen hat, hat de Lattin den Grundstein für unsere heutige Arbeit gelegt – ein für das Saarland unschätzbarer Wert“, sagt Christine Harbusch aus Perl. Die promovierte Bio-Geografin ist Vorsitzende der Naturforschenden Gesellschaft des Saarlandes, die quasi aus de Lattins Arbeitsgemeinschaft entstanden ist und sich später ihm zu Ehren Delattinia genannt hat.

Ein halbes Jahrhundert liegen diese Anfänge nun zurück. Doch das Erbe des Professors de Lattin ist nicht nur mehr als würdig verwaltet. Nein, sein Wert wächst ständig: 320 ehrenamtliche Naturforscher erfassen heute im Saarland die Tier-, Pilz- und Pflanzenwelt – mit dem Ziel, dies so vollständig wie möglich zu tun. „Wir zählen, kontrollieren, katalogisieren und digitalisieren“, erklärt Geschäftsführer Andreas Werno.

Aus den Daten entstehen dann zum Beispiel jährlich erscheinende Abhandlungsbände oder Angebote wie das Faunistisch-Floristische Internetportal Saarland mit Informationen über Verbreitung und Vorkommen von Arten. Mehr als eine Million Insekten sind in den Sammlungen im Zentrum für Biodokumentation in Landsweiler-Reden verwahrt und an die 150 000 Objekte im Herbarium. Archive des Lebens. Sie bewahren Belege von Generationen von Naturforschern. Auch das Untersuchen von Lebensräumen gehört zu den Aufgaben der Delattinia. „Diese Daten, für die normalerweise teure Gutachten angefertigt werden müssten, stehen dem Land uneingeschränkt zur Verfügung“, erklärt Harbusch. Und sie dienen oft als Entscheidungsgrundlage für behördliche Maßnahmen. Etwa, wenn es darum geht, ein Naturschutzgebiet auszuweisen. Oder die Rote Liste gefährdeter Arten für das Jahr 2020 im Auftrag des Saar-Umweltministeriums zu aktualisieren. „Die besonderen Kenntnisse der Mitglieder der Delattinia über Flora und Fauna sind für unsere Arbeit unverzichtbar“, würdigt Umweltminister Reinhold Jost (SPD) zum 50. Jubiläum die Arbeit des Verbandes. „Ohne die Delattinia“, heißt es weiter, „gäbe es keinen Tag der Artenvielfalt.“ An diesem treffen sich einmal jährlich Delattinia-Experten, um Saarländer über Exkursionen an ihren Forschungsergebnissen teilhaben lassen. „Denn nur was man kennt, kann man auch schützen“, sagt Christine Harbusch – und hätte damit wohl Gustaf de Lattin aus der Seele gesprochen.

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