Das epidemische Wir-Syndrom

Thea könnte aus der Haut fahren. Tobi auch. Also beide. So könnte meine beste Freundin sagen: "Da könnten wir aus der Haut fahren." Wenn's nicht genau das wäre, was meinen Kumpel und sie aus der Haut fahren lässt. Dieses Wir-Syndrom. Wir machen alles gemeinsam. Wir sind immer einer Meinung. Wir - das denkende Kollektiv. Zwei Hirne - soweit vorhanden - miteinander verschmolzen

Thea könnte aus der Haut fahren. Tobi auch. Also beide. So könnte meine beste Freundin sagen: "Da könnten wir aus der Haut fahren." Wenn's nicht genau das wäre, was meinen Kumpel und sie aus der Haut fahren lässt. Dieses Wir-Syndrom. Wir machen alles gemeinsam. Wir sind immer einer Meinung. Wir - das denkende Kollektiv. Zwei Hirne - soweit vorhanden - miteinander verschmolzen. Besonders bei Pärchen. Nicht nur bei Frischverliebten, In Theas Augen ein epidemisches Syndrom. Was ihr mächtig auf den Zeiger geht. Tobi auch. Also wenn sie - was Gott zu verhindern weiß - ein Paar wären, müsste es gezwungenermaßen heißen: "Uns geht das mächtig auf den Zeiger." Mit beim Partner nach Bestätigung haschenden Blicken.

So vergangenes Wochenende. Vom Abendessen über Kino bis zur Kneipe. Mit einem befreundeten Paar. Wie frischverliebt. Die beiden schauten auf die Speisekarte. Gemeinsam. In eine. Zeitgleich. Eng umschlungen. Thea schlug ihrer Bekannten vor: "Wie wär' die Champignonpizza? Die find' ich lecker. " Worauf die Angesprochene, Händchen haltend mit ihrem Freund, antwortete, als würden durch die Körperverbindung ihre Synapsen verschmelzen: "Wir mögen keine Pilze." Thea zog demonstrativ die rechte Augenbraue hoch.

Später vor dem Kino, Blick auf die Plakatwand mit aktuellen Streifen. Tobi machte seinen Bekannten auf eine Gangsterkomödie aufmerksam. Der legte seicht den Arm um seine Flamme und sprach: "Das gefällt uns nicht." Tobi blickte verdattert.

Nach einer Liebesschnulze, für die sich "Wir" entschlossen hatte, ging's in die Eckkneipe. Zum Absacker. "Trinkt Ihr auch einen Cocktail?", erkundigte sich Thea unbekümmert. Worauf ihre Freundin antwortete, während deren Freund sogleich ihren Bauch liebkoste: "Wir wollten es Euch eigentlich erst später sagen. Wir sind schwanger."

Tobi starrte ungeniert auf die biergeformte Trommel seines Kumpels: "Stimmt."

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