Das Ende des Betriebsausflugs

Manchmal gehen ganz kleine Welten unter - ganz ohne Maya-Kalender, ganz ohne Apokalypse. In der Welt der beiden alten Männer, denen ich gestern im Bus begegnet bin, zum Beispiel war die Firma offenbar so etwas wie eine große Familie.Ob er sich noch daran erinnere, wie das früher an Weihnachten war, fragte einer der alten Männer im Bus den anderen

Manchmal gehen ganz kleine Welten unter - ganz ohne Maya-Kalender, ganz ohne Apokalypse. In der Welt der beiden alten Männer, denen ich gestern im Bus begegnet bin, zum Beispiel war die Firma offenbar so etwas wie eine große Familie.Ob er sich noch daran erinnere, wie das früher an Weihnachten war, fragte einer der alten Männer im Bus den anderen. Klar wusste der das: Am Heiligen Abend kam der Chef immer in die Firma, um ein wenig mit denen zu feiern, die dort arbeiteten. Weil seine Leute nicht alle bei ihren Familien unterm Baum sitzen konnten, opferte auch der Boss etwas von seiner Mit-den-Lieben-unterm-Baum-sitz-Zeit.

Der heutige Chef macht so etwas nicht, wusste einer der alten Männer. Ja, grummelte der andere, heute gebe es ja auch keine Betriebsausflüge mehr. Das Menschliche, das Miteinander spiele heutzutage keine Rolle mehr in so einer großen Firma. Die Arbeitswelt der beiden Rentner - einfach weg, untergegangen.

Werner Geismar hält sich nicht mit Weihnachtsfeiern und Betriebsausflügen auf. Der Mann hat soeben das komplette Saarland untergehen lassen, Teile Luxemburgs und Lothringens gleich mit. Das Ganze zum Glück nur zwischen zwei Buchdeckeln. "Cattenom - Das Ende einer Laufzeit" heißt der im "Gardez!"-Verlag erschienene "Anti-Atomkraft-Thriller". Werner Geismar lässt darin das Flugzeug eines durchgeknallten afrikanischen Revolutionsführers zum Tanken in Saarbrücken landen und auf dem Weiterflug auf das Atomkraftwerk Cattenom stürzen. Das war es dann mit dem Saarland.

Während Werner Geismar sein literarisches Untergangsszenario als "Mahnung an Politik und Wirtschaft" sieht, fanden es die beiden alten Männer im Bus nicht nur schlecht, dass die Welt, in der sie einst gearbeitet haben, untergegangen ist. Wenn man ehrlich ist, sagte der eine, dann müsse man zugeben: "Die Betriebsausflüge waren furchtbar."

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