Am Sonntag ist Internationaler Weltpilgertag „Da war es schon um uns geschehen“

Kleinblittersdorf · Sonntag ist Weltpilgertag: Ein Paar aus Kleinblittersdorf fand sich auf dem Weg nach Santiago de Compostela.

 Gérard Floutier ist Birgit Heinrich in Sevilla vor neun Jahren einfach hinterhergepilgert. Seitdem sind sie ein Paar. Hier besuchen sie die Kapelle Gräfinthal im Mandelbachtal. Sie liegt am Jakobsweg.

Gérard Floutier ist Birgit Heinrich in Sevilla vor neun Jahren einfach hinterhergepilgert. Seitdem sind sie ein Paar. Hier besuchen sie die Kapelle Gräfinthal im Mandelbachtal. Sie liegt am Jakobsweg.

Foto: Iris Maria Maurer

Trotz einer schweren Erkrankung im Jahr 2004 pilgert Birgit Heinrich (62) aus Kleinblittersdorf in Etappen den Jakobsweg. Dabei erfährt sie sehr viel über sich, lernt außergewöhnliche Menschen kennen und findet Gérard Floutier (72) – ihren Lebenspartner. Heute engagiert sich Birgit Heinrich in der St. Jakobus-Gesellschaft, die die Pilgerschaft nach Santiago de Compostela fördert. Wenige Tage vor dem internationalen Weltpilgertag erklärt die Sprecherin der Regionalgruppe Bliesgau-Obere Saar, warum sich jeder im Leben mal entscheiden sollte loszugehen.

Am kommenden Sonntag findet zum dritten Mal der Weltpilgertag statt. Welcher Gedanke steht dahinter?

HEINRICH Pilgern ist kein Alleinstellungsmerkmal des Christentums. Pilgern gibt es in allen Religionen. Die Muslime pilgern Richtung Mekka, die Juden zum Tempel von Jerusalem und in Indien wimmelt es nur so von heiligen Orten für Buddhisten und Hinduisten. Der Weltpilgertag geht auf eine Initiative der St. Jakobus-Gesellschaft Rheinland-Pfalz–Saarland zurück. Er soll alle Gläubigen verbinden, das Pilgern ins Bewusstsein bringen – auch bei nicht religiösen Menschen. Es geht beim Pilgern um die Erfahrung des eigenen Ich. Um das, was im Unterbewusstsein schlummert oder um die Erfahrung mit Gott.

Was ist für Sie das Faszinierende am Pilgern?

HEINRICH Ich war mal in einem Entsende-Gottesdienst in Würzburg. Da durfte jeder einen Zettel ziehen. Auf meinem stand: „Der erste Schritt, den Du machst, ist Dein Weg!“ – und das ist tatsächlich so. Du musst dich entscheiden zu gehen – und dann gehen. Wie im Leben. Pilgern ist ein Sinnbild des Lebens. Und: Auf den Wegen lernt man tolle Leute kennen. Ich habe zum Beispiel, ohne es zu wissen, in einer Herberge auf dem Jakobsweg mit einem katholischen Bischof aus England in den Pilgerschuhen Rock’n’Roll getanzt – später kamen wir in die Kathedrale von Santiago, und er stand am Altar. Ich war sprachlos. Auf dem Pilgerweg erlebt man nicht nur Entbehrung, sondern auch sehr viel Freude und Lebendigkeit. Dann die vielen älteren, die mit Gebrechen laufen. Ich habe ein Ehepaar aus Irland getroffen: Der Mann konnte nicht mehr gut laufen, die Frau war blind. Er hat ihre Hand geführt und das Gepäck haben sie in einem Karren hinter sich hergezogen, aber sie sind ganz unbeirrt gelaufen und mit einer unglaublichen Zufriedenheit. Oder die vielen Koreaner. Sie haben uns erzählt, dass sie bei ihrer Rückkehr in ihre Heimat eine Gehaltserhöhung bekommen, weil sie durch das Pilgern zeigen, dass sie Schwierigkeiten lange durchhalten können.

Sie sind mittlerweile selbst an die 3000 Kilometer gepilgert. Warum haben Sie damit angefangen?

HEINRICH Ich bin gläubige Katholikin und kenne den Jakobsweg schon sehr lange. Aber ich fand nie einen rechten Zugang. Vor etwa 15 Jahren kam er dann: Ich war total gestresst in meinem Beruf, ich war Geschäftsführerin. Ich hatte 14-, 15-Stundentage, auch Samstag, Sonntag. Ich suchte nach einem Ausweg. Dann kamen drei Freunde und sagten, wir wollen den Jakobsweg gehen. Da sagte ich: Super, ich gehe mit. Wir beschlossen 2004, das in vier Etappen zu machen, weil wir ja auch arbeiten mussten und nur kurz Urlaub nehmen konnten.

Dann kam ein Schicksalsschlag…

HEINRICH Ja, wir wollten im Mai 2004 aufbrechen – und im April 2004 bekam ich die Diagnose Brustkrebs. Ich bin operiert worden, wollte aber trotzdem pilgern. Die Ärzte haben gesagt, es sei in Ordnung, unter der Bedingung, dass ich nichts trage. Da haben meine Freunde gesagt: kein Problem, wir tragen dein Gepäck. Und das haben sie auch gemacht: neun Kilo. Ich habe nur ein zweites Paar Wanderschuhe getragen. Am 6. Mai sind wir losgeflogen, nachdem ich am 28. April operiert worden war. Es war keine Strapaze. Ich musste nur laufen und die Wetterunterschiede ertragen. Wir sind angekommen bei Schnee in den Pyrenäen, und danach wurde es warm.

Wie hat sich die Freundschaft zwischen Ihnen Vieren auf dem Weg verändert?

HEINRICH Wir sind heute noch befreundet – auch wenn der Weg mit seinen Belastungen uns natürlich an die Grenzen unserer Freundschaft gebracht hat. Jeder ist ja sehr unterschiedlich und geht auch anders mit physischer Belastung um. Aber wir haben es überstanden – und es hat uns zusammengeschweißt. Ich werde nie vergessen, wie das war, als mich auf dem Pilgerweg die Klinik nochmal anrief und mir ein Arzt sagte, ich müsse nochmal operiert werden. Da war es ein Segen, diese Freunde zu haben, die mit mir am gleichen Abend in eine eigentlich geschlossene Kirche gegangen sind. Sie haben alles daran gesetzt, den Schlüssel zu bekommen, und wir haben eine Stunde gemeinsam in dieser Kirche verbracht. Das hat mich durch diese Erkrankung getragen.

Als 2008 klar war, dass Sie die Krankheit überstanden haben, entschieden Sie, noch einmal alleine nach Santiago zu pilgern?

HEINRICH Ja, ich bin die Via de la Plata von Sevilla aus gelaufen. Ich wollte zum einen Danke sagen, denn ich bin durch die Krankheit sehr demütig geworden. Diese Motivation haben ganz viele, die den Weg laufen. Und eine weitere Motivation war – ich bin im Moment noch im Vorstand der „Stiftung Kloster Gräfinthal“ – ich wollte für das Kloster laufen, wollte bitten, dass die Kirche wieder aufgebaut werden kann.

Auf diesem Weg haben Sie Ihren Lebenspartner kennen gelernt, Gérard Floutier, ein Protestant aus dem südfranzösischen Nîmes…

HEINRICH Ja, wir sind beide fast zur gleichen Zeit in Sevilla losgelaufen, ohne uns zu kennen. Und keiner von uns war auf der Suche nach einem neuen Partner. Wir haben uns in einer Herberge in Caceres das erste Mal getroffen, in der eigentlich kein Platz mehr war, und ich kam an und mir ging es körperlich nicht so gut. Ich konnte einfach nicht mehr. Man hat mir dann eine schmale Matratze unter einem Holzbalken zugewiesen und mein Freund hat das beobachtet und mir im Nachhinein gesagt, dass er die ganze Nacht mit sich haderte, weil er mir am liebsten sein Bett angeboten hätte, da es ihm ja gut ging. Aber er hat sich nicht getraut. In Salamanca haben wir uns dann wieder getroffen, er saß da im Garten einer Herberge. Wir sind abends essen gegangen und irgendwie kam er mir immer hinterhergepilgert. Irgendwann sind wir dann „zusammen alleine gelaufen“. Und sind auch zusammen in die Kathedrale von Santiago, da war es schon um uns geschehen. Und seitdem – das ist jetzt neun Jahre her – sind wir zusammen.

Glauben Sie, es war Zufall, dass Sie sich auf dem Pilgerweg gefunden haben?

HEINRICH Nein. Es ist für Gérard und mich ganz klar, dass Gott uns gelenkt hat.

 Pilgerwege in der Region

Pilgerwege in der Region

Foto: SZ/Astrid Müller

Die Fragen stellte Christine Kloth. Mehr Information unter www.jakobusgesellschaft.eu und www.weltpilgertag.de

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