„CDU und SPD sind viel zu festgefahren“

Die Landesvorsitzende der Piraten, Jasmin Maurer, erklärt im SZ-Sommerinterview, warum das Saarland nicht der „Wurmfortsatz“ von Rheinland-Pfalz werden darf und weshalb der Datenskandal den entscheidenden Umschwung im Wahlkampf bringen könnte. Mit ihr sprach SZ-Redakteurin Nora Ernst.

 Die Piraten-Landesvorsitzende Jasmin Maurer am Osthafen in Saarbrücken. Foto: Oliver Dietze

Die Piraten-Landesvorsitzende Jasmin Maurer am Osthafen in Saarbrücken. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Frau Maurer, was haben die Piraten im vergangenen Jahr erreicht?

Maurer: Wir haben sehr erfolgreiche Oppositionsarbeit geleistet. Obwohl wir die wenigste Erfahrung haben, sind wir eine der Fraktionen, die die meisten Gesetzesinitiativen, Anträge und Anfragen einbringt.

Und was haben Sie im Saarland konkret erreicht?

Maurer: Wir haben das Thema Gleichstellung Homosexueller vorangetrieben. Auch der Museumspavillon wurde durch uns nochmal zur Sprache gebracht. Und wir sind gegen Abgeordneten-Bestechung vorgegangen.

Aber viele Ihrer Vorstöße wurden abgeschmettert, zum Beispiel der Vorschlag, alle Drogen zu legalisieren.

Maurer: Ich würde nicht sagen, dass er abgeschmettert wurde. Wir haben ja eine Diskussion in der Öffentlichkeit angeregt und auch viel Zustimmung erfahren. Dass CDU und SPD dagegen sind, war klar. Die sind einfach noch nicht reif für so eine Veränderung, sie sind viel zu festgefahren.

Die Piraten äußern sich meist eher zu "weichen" Themen wie Tierschutz und Drogenpolitik. Warum sind Sie bei "harten" Themen wie Wirtschafts- und Finanzpolitik so zurückhaltend?

Maurer: Wir haben da schon einiges eingebracht. Das Problem war, dass wir unser Parteiprogramm so richtig erst in diesem Jahr aufgebaut haben. Aber wir fordern zum Beispiel einen neuen Ansatz bei der Schuldenbremse. Momentan wird das Land kaputtgespart. Kurzfristig werden zwar Ausgaben gesenkt, aber langfristig entstehen hohe Folgeschäden. Zum Beispiel beim Straßenbau: Wenn hier jetzt nicht investiert wird, entstehen in ein paar Jahren irreparable Schäden, die das Land deutlich teurer kommen.

Aber wenn jetzt nicht gespart wird, werden den künftigen Generationen immer mehr Schulden aufgehalst.

Maurer: Ja, man muss schon sparen, aber nicht an allen Stellen.

An welchen Stellen sollte also gespart werden?

Maurer: Auf jeden Fall in der Verwaltung. Und es sollte auch nochmal über eine Gebietsreform nachgedacht werden. Besonders die nördlichen Kreise sind zwar flächenmäßig groß, haben aber sehr niedrige Bevölkerungszahlen. Da wird für verhältnismäßig wenige Menschen genauso viel Geld ausgegeben wie für einen großen Kreis. Sollte auch über die Eigenständigkeit des Saarlands nachgedacht werden?

Maurer: Da haben die Parteien an sich wenig zu sagen. Laut dem Grundgesetz muss das in einem Volksentscheid entschieden werden. Aber wir wollen, dass das Saarland eigenständig bleibt. Die Saarländer wissen selbst am besten, was gut für sie ist - außer vielleicht die aktuelle Regierung. Wenn wir an Rheinland-Pfalz angegliedert würden, wären wir nur ein Wurmfortsatz der Rheinland-Pfälzer.

Man hatte lange den Eindruck, dass die Saar-Piraten weniger zerstritten sind als die Bundespartei. Nun ist erst der Landespressesprecher, Ralf Petermann, dann der Direktkandidat aus St. Wendel, Thomas Brück, zurückgetreten.

Maurer: Wir Saar-Piraten verstehen uns schon gut. Es gibt natürlich einige Wenige, die sich persönlich angegriffen gefühlt haben. Ralf Petermann hat damals zwar von personellen Problemen im Vorstand gesprochen, ich weiß aber bis heute nicht, welche das sein sollen.

Gab es keine Aussprache?

Maurer: Doch, aber da ist er nicht konkret geworden.

Und Brück?

Maurer: Thomas Brück wollte unbedingt Landesvorsitzender werden. Er ist es nicht geworden, auch nicht stellvertretend. Das hat er als Vertrauensbruch gesehen und ist daraufhin aus der Partei ausgetreten.

Mit welchem Ergebnis rechnen Sie bei der Bundestagswahl?

Maurer: Ich schätze, es werden schon fünf bis sechs Prozent.

Wird die aktuelle Daten-Spähaffäre für die Piraten den entscheidenden Umschwung im Wahlkampf bringen?

Maurer: Ja, auf jeden Fall. In einer aktuellen Emnid-Umfrage stehen die Piraten schon bei vier Prozent, im Deutschlandtrend im Mai waren es noch drei Prozent. Daran sieht man, dass sich das bereits auswirkt. Wir warnen schon seit 2009 vor einem massiven Ausspähen von Daten. Damals hieß es noch, das seien Hirngespinste, heute ist es Realität.

Was haben die Piraten im Saarland eigentlich als Nächstes geplant?

Maurer: Neben dem Datenschutz ist für uns die Bildungspolitik ein wichtiges Thema. Da verfolgen wir ganz neue Ansätze. Wir wollen, dass die Schulabschlüsse bundesweit vergleichbar werden. Ein weiteres Thema ist das bedingungslose Grundeinkommen. Das brauchen wir dringend, damit auch Rentner, die von Altersarmut betroffen sind oder Geringverdiener, die nur mit Müh und Not Miete und Essen bezahlen können, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

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HintergrundDie Landesvorsitzende der Piratenpartei, Jasmin Maurer (24), hat sich für den Saarbrücker Osthafen als Interviewort entschieden, weil sie ihn als Ort mit Zukunft sieht. Er spiele eine wichtige Rolle beim Projekt "Stadtmitte am Fluss" und sei schon jetzt ein beliebter Ausflugsort der Saarbrücker, so Maurer. Sie ist überzeugt, dass er sich zu einem attraktiven Naherholungsgebiet in Saarbrücken entwickeln wird, das auch Familien anziehen könnte.noe

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