Lebacher Soldatenmord Ein Trompetensolo und mahnende Worte

Lebach · 50 Jahre nach den Lebacher Soldatenmorden erinnerte die Bundeswehr an die Tat. Der Wachdienst hat sich seither stark verändert.

 Der Kommandeur des Landeskommandos der Bundeswehr, Oberst Klaus Peter Schirra, legt im Gedenken an die Opfer des Lebacher Soldatenmordes einen Kranz in der Graf-Haeseler-Kaserne nieder.

Der Kommandeur des Landeskommandos der Bundeswehr, Oberst Klaus Peter Schirra, legt im Gedenken an die Opfer des Lebacher Soldatenmordes einen Kranz in der Graf-Haeseler-Kaserne nieder.

Foto: Ruppenthal

Zur Ehrenformation der Bundeswehr ein Trompetensolo in eisiger Kälte: „Ich hatte einen Kameraden“: Mit einer emotional unter die Haut gehenden Gedenkveranstaltung auf dem Gelände der Lebacher Graf-Haeseler-Kaserne haben am Montagmorgen rund 250 Soldaten und Bürger an den bewaffneten Überfall mit vier Toten auf ein Munitionsdepot der Bundeswehr in Lebach-Landsweiler vor 50 Jahren erinnert. Es war das bislang blutigste Verbrechen in der Geschichte des Saarlandes, wobei ein wegen mehrfachen Mordes verurteilter Haupttäter bis heute in der Saarbrücker Justizvollzugsanstalt Lerchesflur hinter Gittern sitzt (wir berichteten).

Auf dem fahnengeschmückten Exerzier- und Paradeplatz der Kaserne mit einem kleinen Gedenkstein für die Todesopfer rief am Montag als erster der Kommandeur des Landeskommandos der Bundeswehr, Oberst Klaus Peter Schirra, noch einmal das grausige Geschehen vom 20. Januar 1969 in Erinnerung. Damals waren vier wachhabende Fallschirmjäger in einem Wachhäuschen heimtückisch erschossen worden, ein fünfter konnte sich schwer verletzt ins Freie retten. Der seinerzeit 32 Jahre alte Hauptmann Günther Wassenberg, Kompaniechef im Lebacher Fallschirmjägerbataillon 261, weint, als die Wachablösung die toten Soldaten findet und er davon hört. Er lässt seine rund hundert Soldaten zählende Kompanie zur Geländeüberwachung antreten. Die Bevölkerung ist deutschlandweit geschockt.

Wassenberg, heute 82-jähriger Oberst a.D., ist selbst mit dem Auto aus Kehl als Redner zu der Gedenkstunde nach Lebach angereist, und berichtet von einem „Bild des Grauens“, das sich ihm damals bot. „Für mich persönlich war es besonders schmerzlich, den Obergefreiten Arno Bales unter den Toten zu sehen, da er mein Fahrer war und mich ständig begleitet hat“, sagt er. Bales habe ein zwei Jahre altes Kind gehabt und seine Frau sei schwanger gewesen. „Ganz furchtbar war auch, dass der Gefreite Ewald Marx nach zwei Kopfschüssen hirntot im Krankenhaus Homburg noch sechs Wochen überlebt hat, ehe seine jedes Wochenende angereisten Eltern aus dem Frankenland seinen Tod miterleben mussten“, so der ehemalige Kompaniechef.

Er erinnert nochmals daran, dass die Lebacher Soldatenmörder alleine aus Geldgier handelten, indem sie mit den erbeuteten Waffen und über tausend Schuss Munition Industrielle erpressen wollten. Und er sagt, an die zur Gedenkstunde gekommenen Soldaten gewandt: „Ich drücke Ihnen meine Bewunderung und Hochachtung aus, dass Sie auch nach 50 Jahren noch Ihrer ermordeten Kameraden gedenken.“

Eine ältere Lebacherin steht am Rande und erzählt: „Mein Mann hat damals Glück im Unglück gehabt, er hätte ursprünglich in der Überfallnacht Dienst tun sollen, was Gott sei Dank nicht passierte.“ Der frühere Wachsoldat Werner Conrad aus Trier, der knapp ein halbes Jahr nach dem Überfall seinen Dienst als Gefreiter antrat, erzählt am Rande: „Damals sah man noch die Einschusslöcher in den Betten des Wachhäuschens.“

Der Staatssekretär im saarländischen Innenministerium, Christian Seel (CDU), schreitet derweil zum Rednerpult auf dem Kasernengelände und prangert die „unfassbare Banalität und Absurdität der Motive der Täter an“, deren Lebacher Überfall bis heute immer noch erschüttere. Er erinnert zugleich daran, dass das brutale blutige Verbrechen „nicht nur Kriminalgeschichte geschrieben“ habe, sondern mit dem „Lebacher Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts von 1973 ein Grundsatzurteil zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht gefällt habe, wonach Täter zwecks Resozialisierung nicht namentlich genannt und im Bild gezeigt werden sollen.

Der frühere Kommandeur der Lebacher Fallschirmjäger, Oberst a.D. Reinhard Felsmann, hebt hervor, dass der heutige Wachdienst der Bundeswehr mit Schutzmaßnahmen wie Panzerglas, Bewegungssensoren und Kameras ganz anders gesichert sei als vor 50 Jahren. Und er sagt: „Um Ihnen die Dramatik der Empfindungen der damaligen Soldaten darzustellen, erlaube ich mir, den Anschlag auf das Lebacher Munitionsdepot mit dem Karfreitagsgefecht am 2. April 2010 bei Kunduz in Afghanistan zu vergleichen, bei dem das Fallschirmjägerbataillon 373 drei Tote und mehrere Verletzte zu beklagen hatte.“ Das Innehalten und Gedenken an Soldaten, die in Ausübung ihres Dienstes durch Waffengewalt ums Leben kommen, sei wichtig und Mahnung zugleich. Dann beschließt eine Kranzniederlegung mit dem Trompetensolo „Ich hatte einen Kameraden“ die Gedenkveranstaltung.

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