Wiesemann hob hervor, dass die Freude an Literatur und Kunst sowie an der universalen Geistesgeschichte Willi Graf, der in Saarbrücken aufwuchs und dort Messdiener war, zur kritischen Distanz gegenüber dem herrschenden Regime verholfen habe. Dies habe sie in lebendige Diskussionen darüber gebracht, wie die Menschen wachgerüttelt und für Visionen einer besseren Welt befähigt werden könnten – auch zur Übernahme der eigenen Verantwortung.

Er halte diesen Punkt in der aktuellen Zeit für sehr entscheidend. Denn ein halbes Jahrhundert nach dem „aufklärerischen Sturm“ von 1968 erlebe man derzeit, wie differenzierende Diskussionen schwieriger würden, Aufklärungsarbeit gegen erwiesenermaßen falsche Parolen bewusst blockiert werde und statt des Diskurses ein „brutales und durchaus auch berechnendes Spiel mit der Macht aus der Angst der Menschen“ betrieben werde. Tragische und schreckliche menschliche Schicksale würden dabei schamlos instrumentalisiert, etwa der Mord an einer jungen Frau durch einen Flüchtling in Kandel. Aber auch auf höchsten politischen Ebenen, so Wiesemann, würden Fake-News, also absichtlich in Umlauf gebrachte Falschinformationen, für eigene Machtinteressen hemmungslos instrumentalisiert. „Wir kennen die Phänomene. Wir wissen um ihre demokratiezersetzende Kraft“, sagte Wiesemann.