Braune Spuren im Saar-Landtag

Saarbrücken · Mehr als 68 Jahre nach dem Zusammenbruch des Nazi-Regimes hat die Linksfraktion eine Studie zur NS-Vergangenheit von Landtagsabgeordneten vorgelegt. Erste Exemplare liegen Fraktionen und Medien vor.

 Der Saar-Landtag 1956: Fast ein Drittel der Abgeordneten gehörte nach Angaben des Historikers Hans-Peter Klausch früher der NSDAP an. Foto: SZ

Der Saar-Landtag 1956: Fast ein Drittel der Abgeordneten gehörte nach Angaben des Historikers Hans-Peter Klausch früher der NSDAP an. Foto: SZ

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. Der Oldenburger Historiker Klaus-Peter Klausch hat jetzt im Auftrag der Linksfraktion den Mantel über der NS-Geschichte vieler Ex-Saar-Landtagsabgeordneter gelüftet. In einer Auflage von 1000 Exemplaren, wie Linksfraktionssprecherin Claudia Kohde-Kilsch der SZ sagte, ist die Studie von Klausch "Braune Spuren im Saar-Landtag" nun bei den Linken im Landtag vorrätig. Erste Exemplare erreichten kurz vor Pfingsten die anderen Fraktionen und die Medien.

Linksfraktionschef Oskar Lafontaine schreibt im Vorwort der 23-Seiten-Studie, er habe 1970, als er erstmals für die SPD in den Saar-Landtag einzog, nicht gewusst, wie viele seiner Kollegen früher in der NSDAP waren. "Mit dieser Broschüre soll die Lücke, wenn auch spät, geschlossen werden", so Lafontaine. 1970 befanden sich unter den 58 Abgeordneten noch 13 Ex-NSDAP-Mitglieder, ein Anteil von 22,4 Prozent, wie Klausch berichtet. Ausgerechnet die SPD-Fraktion habe mit einem Anteil von 24 Prozent, sechs von 25 Abgeordneten, den höchsten Anteil Ex-Mitglieder der Hitler-Partei in ihren Reihen gehabt.

Lafontaine sagt, dass es ihm schwer falle, "einem Friedel Regitz, dem Ex-SPD-Fraktionschef, seine NSDAP-Mitgliedschaft vorzuhalten". Schließlich sei der erst 1943, im "reifen" Alter von 17 Jahren, beigetreten. "Dafür kann man keinen 17-Jährigen verurteilen, der während seiner Kindheit in Schule und Gesellschaft durch NS-Propaganda geformt wurde", betont Lafontaine. Regitz sei nach dem Krieg ein überzeugter Genosse gewesen, der sich als Neunkircher OB große Verdienste erworben habe.

Dagegen prangert Lafontaine etwa die Verbrechen des Ex-CDU-Fraktionschefs von 1956 Erwin Albrecht an, der als "Blutrichter" von Prag mehrere Todesurteile gegen Juden fällte. Oder Paul Simonis (DPS/FDP), von dessen SS-Akte ein Auszug auf dem Titelbild der Broschüre abgedruckt ist. Simonis war für den Reichsführer SS Heinrich Himmler als Spitzel tätig. Ex-DPS/FDP-Fraktionschef Heinrich Schneider war schon 1931, vier Jahre vor der "Heim ins Reich"-Abstimmung, Nazi geworden. Klausch weist nach, dass nur zwei Abgeordnete im Landtagshandbuch ihre NS-Vergangenheit offenbarten. Die Mehrheit machte daraus ein Geheimnis.

Während SPD- und Piratenfraktion noch nicht zu der Broschüre Stellung nahmen, sagte CDU-Fraktionschef Klaus Meiser der SZ: "Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Landtages geht uns alle an. Daher wird sich das Präsidium des Landtages mit diesem Thema befassen." Grünen-Fraktionschef Hubert Ulrich will im Präsidium "darauf drängen", dass eine "neutrale Studie" folgt.

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