Brand mit vier Toten Elf Jahre Haft für Brandstifterin - Kein Tötungsvorsatz

Saarbrücken · Elf Jahre muss eine Brandstifterin aus Saarbrücken in Haft, weil durch ein Feuer, das sie in ihrem Apartment gelegt hatte, vier Menschen starben. Der Richter sprach am Donnerstag von „einer der schlimmsten Brandkatastrophen“ im Saarland.

 Im Dezember 2017 brannte das Saaruferhaus. Vier Männer waren bei dem Feuer gestorben.

Im Dezember 2017 brannte das Saaruferhaus. Vier Männer waren bei dem Feuer gestorben.

Foto: Peter Stefan Herbst

Die vier Männer hatten keine Chance. Kaum war das Feuer am Mittag des 3. Dezember vergangenen Jahres in der ersten Etage des sechsstöckigen Wohn- und Geschäftshauses ausgebrochen, breitete sich der Rauch in Sekundenschnelle im ganzen Gebäude aus. Die Bewohner erstickten in ihren Wohnungen und im Flur. Ein weiterer verletzte sich schwer, als er auf der Flucht vor den Flammen aus dem Fenster sprang. Wegen Brandstiftung mit Todesfolge verurteilte das Landgericht Saarbrücken Melanie D. am Donnerstag zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die 38-jährige Deutsche in ihrem Apartment ein Kopfkissen mit Hilfe von Feuerzeugbenzin angesteckt und dann die Wohnung verlassen hatte.

Das jüngste Opfer, das durch die Rauchgase starb, war 29 Jahre alt. „Seine Mutter und die vier Geschwister hatten sich von dem Prozess Aufklärung erhofft“, sagte der Anwalt der Nebenklage, Christoph Clanget. Doch auch nach dem Ende der Beweisaufnahme gab es auf das „Warum“ keine Antwort. An allen sechs Verhandlungstagen hatte die Angeklagte auf Anraten ihrer Verteidiger geschwiegen. Lediglich das letzte Wort hatte sie zu einer eigenen Äußerung genutzt: „Ich will Ihnen nur sagen, dass es mir leid tut“, erklärte sie unter Tränen.

Einen bedingten Tötungsvorsatz konnte die Kammer „trotz des sehr gefährlichen Vorgehens“ nicht erkennen. Stattdessen war in der Urteilsbegründung von einem „besonders leichtfertigen Handeln“ die Rede, das zum Tod der vier Menschen (29, 46, 69 und 70) geführt hatte - unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen und einer krankhaften seelischen Störung der Angeklagten. Richter Bernd Weber folgte der Einschätzung einer psychiatrischen Sachverständigen, wonach die Steuerungsfähigkeit der Frau erheblich eingeschränkt gewesen sei und man von einer verminderten Schuldfähigkeit ausgehen müsse. Anlass für die Brandstiftung war vermutlich die Unzufriedenheit mit der Lebenssituation in diesem Haus und eine Amphetamin-Intoxikation. „Der Beschluss entstand wohl eher spontan, das Apartment endgültig zu verlassen und das bisherige Leben zu zerstören, von dem sie sich überfordert fühlte“, so Weber.

Von der Anwendung einer lebenslangen Freiheitsstrafe habe die Kammer auch abgesehen, weil ein mangelnder Brandschutz die schweren Folgen des Feuers mit begünstigt habe. „Bei funktionierenden Brandschutztüren und einem Rauchabzug wäre es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zum Tode der Menschen gekommen“, so Weber.

Anfang April hatte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen den Hauseigentümer und die zu dem Zeitpunkt noch unbekannten Verantwortlichen der Bauaufsichtsbehörde, frühere Bauherren und Architekten wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet.
Ein Sachverständiger hatte Verstöße gegen die Brandschutzvorschriften der Landesbauordnung festgestellt. Unter anderem habe eine Rauchableitungsöffnung für das Treppenhaus gefehlt.

Durch den nahezu vollständig verrauchten Treppenraum seien die Personenrettung und die manuelle Brandbekämpfung erheblich eingeschränkt worden, hieß es von der Staatsanwaltschaft. Ohne die beschriebenen Fehler im baulichen Brandschutz wäre dieser Brand auf die Wohnung der Beschuldigten beschränkt geblieben und der Rauch hätte sich nur im Flur, zu einem sehr geringen Teil im dem Treppenraum sowie nicht in die anderen Geschosse ausbreiten können, befanden die Ermittler damals.

Pflichtverteidiger Christian Kessler hatte in seinem Plädoyer appelliert, die sinnlose Tat eines „mitleiderregenden Menschen“ „mit einer maßvollen Strafe“ zu ahnden. Melanie D., Mutter von drei Kindern, die seit Jahren unter der Obhut des Jugendamtes stehen, war in zerrütteten Familienverhältnissen und Heimen aufgewachsen. Bereits seit ihrem sechsten Lebensjahr hatte sie geraucht, nahm schon mit neun Jahren Cannabis und ab zwölf Jahren LSD, Ecstasy und Amphetamine. Ab morgens habe sie zudem Alkohol getrunken. „Einen deutlicheren Hang nach Sucht kann man sich fast nicht vorstellen“, so der Richter. Die 38-Jährige werde seiner Einschätzung nach auch zukünftig gefährlich bleiben, wenn dieser Hang nicht beseitigt werde. Deshalb ordnete das Gericht zusätzlich eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an.

Melanie D. selbst hatte an den sechs Prozesstagen immer wieder geweint. „Wir haben viele Tränen gesehen“, bilanzierte Christoph Clanget, der Anwalt der Opfer-Angehörigen. „Wie echt die waren, ob sie tatsächlich die Tat oder sich selbst bedauerte, kann man nicht sagen.“ Es sei „verdammtes Glück“ gewesen, dass nicht mehr Menschen aus den 42 Kleinwohnungen gestorben seien.

Weil alle Beteiligten des Prozesses nach Absprache darauf verzichteten, Rechtsmittel einzulegen, ist das Urteil bereits rechtskräftig.

(dpa)
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