Bäckerautos zeugen von europäischer Einigung

Leidingen. Leidingen hoch oben auf dem Saargau ist zweigeteilt: zwei Verwaltungen, eine in Wallerfangen und eine in Heining-lès-Bouzonville, zwei Kirchen, zwei Postämter. Das Zusammenleben von etwa 30 Franzosen und 170 Deutschen erscheint unkompliziert

Leidingen. Leidingen hoch oben auf dem Saargau ist zweigeteilt: zwei Verwaltungen, eine in Wallerfangen und eine in Heining-lès-Bouzonville, zwei Kirchen, zwei Postämter. Das Zusammenleben von etwa 30 Franzosen und 170 Deutschen erscheint unkompliziert. Die Bürokratie aber orientiert sich oft immer noch an der Grenze, die als "Neutrale Straße" den Ort durchzieht. Den 14. Juli, den französischen Nationalfeiertag, feiert man heute hier nicht: einfach, weil Leidingen eine deutsche, aber keine französische Feuerwehr hat. Und die Wehr organisiert alle Feiern zum 14. Juli in Frankreich. Immerhin: Heute kaufen Deutsche auch beim französischen und Franzosen auch beim deutschen Bäckerauto, wenn es auf der Neutralen Straße hält. Das war nicht immer so, erinnern sich Barth&;l&;my Lemal, der Bürgermeister von Heining-lès-Bouzonville, der deutsche Leidinger Albert Hilt und der französische Leidinger Remy Mesmer.Mesmer weiß noch, wie es vor dem Zweiten Weltkrieg war. Seine Familie hatte Ackerland auf deutscher Seite. "Um unser Feld zu bewirtschaften, brauchten sogar die Pferde einen Ausweis", sagt er. Nicht auf Papier, sondern als Stempel auf dem Hinterteil des Tieres. Auch der Viehverkauf war über die Grenze nicht gestattet. Aber auch da habe es Mauscheleien gegeben. So verkaufte ein französischer Bauer einer deutschen Bäuerin an der grünen Grenze zwei Ferkel. "Damit die sich beim Schmuggeln ruhig verhalten, füllte der Bauer die Schweine mit Schnaps ab", erzählt Mesmer. Grenzgeschichten. Ernster wird es bei Schilderungen, warum eine zweite Kirche gebaut wurde. Sie ist nach 1939 auf französischem Bann errichtet worden. "Das war notwendig, weil die Grenze nach der Saarabstimmung dicht gemacht wurde", erklärt Hilt. "Wir durften zwar noch unten in die deutsche Kirche gehen, wurden aber am Grenzübergang jedes Mal schikaniert", erzählt Mesmer.Im Winter ist keiner daAberwitzig: Der französische Bürgermeister schildert, dass die Neutrale Straße beim Winterdienst auch wirklich neutral bleibe. Denn weder der französische noch der deutsche Streudienst fühle sich für dieses Revier zuständig. Und wenn es brennt auf der französischen Seite Leidingens: Weil es keine eigene Wehr gibt, müsste rein rechtlich die aus Bouzonville anrücken. Aber Bürgermeister Lemal ist sich sicher, dass in diesem Fall die deutsche Wehr nicht tatenlos zusehen und ganz unbürokratisch handeln würde.

HintergrundLeidingen hoch oben auf dem Saargau ist zweigeteilt - zwei Verwaltungen, einmal in Wallerfangen und einmal in Heining-les-Bouzonville, zwei Kirchen, zwei Postämter. Während das Zusammenleben von etwa 30 Franzosen und 170 Deutschen in einem Ort jedoch unkompliziert erscheint, sind der Bürokratie im vereinten Europa allerdings immer noch Grenzen gesetzt.

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