Oliver Kern, der jetzt in Merzig den 6. Monika-von-Boch-Preis Fotografie erhielt, wurde 1965 in Saarbrücken geboren. Zwar ist er ein "Zugezogener", wie er selbst sagt, aber der Kreis Merzig-Wadern ist zu seiner Heimat geworden. So ist es nur konsequent, dass sich auch Bilder aus dem Saarland in Merzig finden.

Die Preisverleihung war eingebunden in die Vernissage zur Ausstellung "Die deutsche Aussicht", in der Kern über zehn Jahre hinweg Städte und Orte in Deutschland besucht und fotografiert hat. Berlin, Düsseldorf, Köln - natürlich finden sich die bekannten Städte in seiner Foto-Serie. Es sind aber nicht die romantischen Blicke auf den Kölner Dom oder auf Schloss Neuschwanstein.

"Mir geht es darum, so nah wie möglich an die Menschen und Orte heranzukommen und sie so authentisch wie möglich zu zeigen. Ich will Momente auffangen und über die Bildinhalte eine Korrespondenz mit den Betrachtern erreichen", erklärt Oliver Kern.

Zwar hängt er seine Fotografien in bestimmten für ihn stimmigen Gruppen zusammen. Aber er lässt den Besuchern bewusst die Möglichkeit, die eigenen Bilder darin zu finden oder diese zu ergänzen. Spannend bleibt die Suche nach dem Schlüssel zum Bild. In manchen Szenen ist eine zufällige Schrift erkennbar, die Kern mit seinem Blick fürs Motiv in einen Zusammenhang bringt.

So zum Beispiel bei einem Bild aus Berlin-Neukölln. Dort lehnt ein junger Mann an einem Schaufenster. Er hat ein von Narben gezeichnetes Gesicht und ein rotes Auge, das die Folge einer Schlägerei sein könnte. Hinter ihm in Schaufenster steht der Slogan: Schön, wenn es um meine Wünsche geht. Gerade diese Gegensätzlichkeit - denn der junge Mann vermittelt nicht den Eindruck, dass es irgendjemandem um seine Wünsche geht - löst ein intensives Spannungsfeld aus.

Dies führt zu einer Auseinandersetzung des Betrachters mit der Situation, die er selbst und nur für sich den Inhalt interpretieren kann. In Stuttgart-Fasanenhof entsteht das Foto eines Menschen vor einem Hochhaus. "Dieses Motiv kann man in Bezug zur deutschen Romantik setzten, zu den verklärten Rückenfiguren von Caspar David Friedrich. Es kann aber auch ganz andere Assoziationen oder eigene Geschichten in den Köpfen der Betrachter erzeugen", erklärt Oliver Kern. Er interessiert sich sehr für die Menschen auf seinen Fotos, versucht immer mit ihnen ins Gespräch zu kommen. So hat fast jedes Foto der Ausstellung und des gleichnamigen Bildbandes eine eigene Geschichte, die jedoch nur der Fotograf selbst kennt. In Stuttgart war es ein türkischer Mann, der jeden Sonntag auf diesen Hügel vor dem Hochhaus kommt, um etwas Ruhe zu finden. Denn zu Hause versammelt sich sonntags immer die ganze Familie.

Landrätin Daniela Schlegel-Friedrich sieht in der Ausstellung "eine tolle Idee, auf diese besondere Weise deutsche Aussichten festzuhalten". Roland Augustin von der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz ehrte Oliver Kern als einen Fotografen, der seine Motive in einen neuen Zusammenhang stellt. Dem Fotografen gehe es bei den Bildern der Ausstellung nicht um Herausragendes, er suche nicht die Sensation. Vielmehr spielen die Menschen eine wesentliche Rolle. Diese karikiere er nicht mit Zynismus, sondern erwecke eher Sympathie oder hinterlasse ein Schmunzeln. Zu Monika von Boch, der Fotografin, an die mit dem nach ihr benannten Preis erinnert wird, sieht Augustin in den Arbeiten Kerns eine Verbindung über die formalen Aspekte in den Bildern.

Zur Ausstellung ist im Hatje Cantz Verlag ein Buch "Die deutsche Aussicht" erschienen, das zu einem Sonderpreis im Museum erhältlich ist.

Die Ausstellung in Merzig läuft noch bis zum 25. August im Museum Schloss Fellenberg, Torstr. 45A, Merzig, Telefon (0 68 61) 79 30 30, E-Mail: info@museum-schloss-fellenberg.de; Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen von 14 bis 18 Uhr und nach Voranmeldung.

www.museum-schloss-

fellenberg.de

www.oliver-kern.com