Außer Rand und Band

Ramstein · Bewiesen ist es nicht, doch Tierschützer machen bundesweit mobil: In einem Dorf bei Ramstein sollen Tiere sexuell missbraucht worden sein. Einer der Beschuldigten bestreitet das, gibt aber zu, zoophil zu sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

 Weit über hundert Tierschützer versammelten sich Mitte Juli auf dem Dorfplatz in Reuschbach, um gegen ein mutmaßliches „Tierbordell“ im Ort zu demonstrieren. Foto: k9-news

Weit über hundert Tierschützer versammelten sich Mitte Juli auf dem Dorfplatz in Reuschbach, um gegen ein mutmaßliches „Tierbordell“ im Ort zu demonstrieren. Foto: k9-news

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Das 400-Seelen-Dorf Reuschbach in der Westpfalz liegt in einem Tal, umgeben von Wäldern und Wiesen, auf denen Kühe grasen. Die wenigen Dorfstraßen säumen alte Bauernhäuser, nur am südlichen Ortsausgang stehen ein paar Neubauten, wo sich US-Soldaten von der nahen Airbase in Ramstein mit ihren Familien einquartiert haben. Inmitten dieser Idylle bricht sich derzeit ein bundesweit geführter Kampf von Internetaktivisten Bahn, die in einem Bauernhaus an der Hauptstraße ein so genanntes Tierbordell vermuten.

Die beiden Bewohner, Martin P. (24) und Thomas P. (35), sollen den Vorwürfen zufolge am vorletzten Aprilwochenende gut 20 Gästen aus dem Bundesgebiet und der Schweiz Pferde und Hunde für sexuelle Handlungen zur Verfügung gestellt haben. Zudem sollen sie Fotos oder Videos solcher zoophilen Handlungen im Internet verbreitet haben. Nach einer Demonstration teils aggressiv auftretender Tierschützer vor Ort, massiven Drohungen im Internet und dem nächtlichen Besuch eines mutmaßlich rechtsgerichteten Schlägertrupps schickt die Polizei in Landstuhl nun Tag und Nacht ihre Streifenwagen zu Kontrollfahrten in den abgelegenen Ort, um eine Eskalation zu vermeiden. Doch die scheint längst ihren Anfang genommen zu haben.

Ein Tierrechtler aus Recklinghausen hatte über ein Internetforum von Zoophilen von dem Treffen am 20./21. April in Reuschbach erfahren und bei der Polizei in Landstuhl Anzeige erstattet. Diese führt dort am Abend des 20. April eine Hausdurchsuchung durch, beschlagnahmt Rechner, Bilddatenträger sowie fünf Hunde und zwei Pferde. Eine apathisch wirkende Hündin wird vom veterinärmedizinischen Institut an der Uni Gießen untersucht, die übrigen Tiere von zwei Veterinärmedizinern aus dem Landkreis Landstuhl. Ein Missbrauch kann bei allen Tieren nicht nachgewiesen werden. "Wir haben die Tiere nach knapp zwei Wochen an die Besitzer zurückgeben müssen", sagt Anne Kunz vom Tierschutzverein Kindsbach, der die Pferde und Hunde in Obhut genommen hatte. Auffällig sei aber gewesen, dass die Tiere Abstriche und das Abtasten der Geschlechtsorgane durch die Tierärzte ohne jegliche Gegenwehr hingenommen hätten, sagt Kunz. Die Staatsanwaltschaft Zweibrücken hat unterdessen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Tierschutzrecht sowie auf Verbreitung tierpornografischer Schriften eingeleitet. Oberstaatsanwältin Iris Weingardt will keine konkreten Angaben zum aktuellen Ermittlungsstand machen. Sie betont, dass die Auswertung der beschlagnahmten Datenträger durch die Polizei noch andauere. Solange gelte die Unschuldsvermutung.

In Internetforen und auf Facebook haben sich die Vorverurteilungen derweil verselbstständigt. Der Tierrechtler aus Recklinghausen hat so etwa die genaue Adresse und ein Foto der beiden Beschuldigten auf seiner Internetseite veröffentlicht. Dort heißt es auch: "Sollten die Behörden weiter das Treiben im Tierbordell fördern statt verhindern, dann müssen wir andere Wege finden!" Am vergangenen Wochenende taucht mitten in der Nacht vor dem Haus der Beschuldigten eine Gruppe teilweise vermummter Gestalten mit Baseballschlägern auf. Die alarmierte Polizei nimmt ihre Personalien auf. Am nächsten Morgen hängt an einem Laternenpfahl gegenüber des Hauses ein Plakat, auf dem es unter anderem heißt: "In jedem Tierschänder steckt ein potentieller Kinderschänder!" Das Plakat, inzwischen ebenfalls von der Polizei beschlagnahmt, ziert ein Wappen mit dem Schriftzug "APC Viking Div. Mjölnir". Mjölnir ist in der germanischen Mythologie der Kriegshammer des Gottes Thor und wird heute häufig als Symbol in der rechtsextremen Szene verwendet.

Tierschutzorganisationen sehen sich inzwischen genötigt, sich von der Radikalisierung zu distanzieren. "Hetze und Vorverurteilungen untergraben die gut gemeinten und berechtigten Ziele der Tierschützer", sagt eine Mitarbeiterin des Europäischen Tier- und Naturschutzvereins in Much bei Köln. Gleichwohl fordert sie, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Zweibrücken "angemessen und umfangreich verfolgt werden müssen". Sollte es zu sexuellen Übergriffen auf die Tiere gekommen sein, kann zumindest der Akt selbst nicht geahndet werden: Sexuelle Handlungen mit Tieren sind erst seit Mitte Juli (nach einer Novellierung des Tierschutzrechts) verboten. Wohl aber können die Behörden gegen Herstellung und Verbreitung von Tierpornografie (Strafgesetzbuch §184a) vorgehen und wenn Tieren "erhebliche Schmerzen oder Leiden" (Tierschutzrecht §17) zugefügt werden.

Der Beschuldigte Martin P. räumt im Gespräch mit der SZ ein, eine zoophile Neigung zu haben. Sein Mitbewohner Thomas P. teile diese Neigung aber nicht. Auch gibt Martin P. zu, wegen der Verbreitung tierpornografischer Bilder im Februar 2012 einen Strafbefehl erhalten und 900 Euro Bußgeld bezahlt zu haben. "Das war eine Jugendsünde, seither habe ich nichts Derartiges mehr getan und halte mich auch in Zukunft an Recht und Gesetz", sagt er. Ein Internetforum für Zoophile, das er bis Ende April mitverantwortet hatte, war nach dem seinerzeit geltenden Tierschutzgesetz nicht rechtswidrig. Martin P. beteuert, dass es sich bei dem Treffen am vorletzten Aprilwochenende um eine Geburtstagsparty gehandelt habe. Es sei nicht zu sexuellen Handlungen mit Tieren gekommen, sagt er.

Jetzt ist die Staatsanwaltschaft am Zug. Die Polizei setzt ihre Kontrollfahrten in dem einst so idyllischen Reuschbach bis auf Weiteres fort.

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StichwortZoophilie (vom Griech. "zóon" für Lebewesen, Tier und "philia" für Liebe, Freundschaft, Wohlwollen) bezeichnet das sexuelle Hingezogensein zu Tieren. Zoophilie kann sexuelle Handlungen beinhalten. Zoophile betonen, dass der Sex "einvernehmlich" stattfinde. In der Wissenschaft stößt dies auf Skepsis. "Ob ein Tier einvernehmlichen Sex mit einem Menschen haben kann, lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen", sagt etwa Professor Jörg Luy vom Institut für Tierschutz und Tierverhalten an der Freien Universität in Berlin. jos

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