Konsulat verwehrt Einreise nach Deutschland Außenminister Maas will nicht helfen

Saarbrücken/Wadern · Familie Özdemir wurde vor 17 Jahren aus dem Saarland in die Türkei abgeschoben. Sechs Kinder leben wieder in Deutschland. Nun wollen sie gerne ihre Mutter sehen. Doch sie darf nicht einreisen.

Rückblick: 120 Schüler haben bei einer Demonstration im Jahr 2002 in der Merziger Innenstadt gegen die Abschiebung der Familie Özdemir protestiert.

Rückblick: 120 Schüler haben bei einer Demonstration im Jahr 2002 in der Merziger Innenstadt gegen die Abschiebung der Familie Özdemir protestiert.

Foto: Ruppenthal

Den 14. November 2001 wird Jakub Özdemir nie vergessen. An diesem Tag wurde er mit seiner Familie aus dem Saarland in die Türkei abgeschoben. Özdemir war damals 13 Jahre alt und lebte mit seinen Eltern und den sechs Geschwistern in Wadern. Die Familie – einst aus der Türkei aus politischen Gründen geflohen – musste Deutschland nach 14 Jahren verlassen. Lediglich der älteste Sohn Emrullah durfte aus rechtlichen Gründen bleiben.

Der Tag der Abschiebung begann um 4 Uhr in der Früh. Jakub Özdemir spricht von einer Nacht- und Nebelaktion. Er erinnere sich noch ganz genau daran, wie zwei Polizisten ihn aufweckten und mit ihren Taschenlampen in sein Gesicht leuchteten.

Der Fall der Familie löste 2001 Entsetzen und Empörung im Saarland aus. Es gab Mahnwachen, Unterschriftenaktionen und heftige Kritik an der Landesregierung, vor allem am damaligen Ministerpräsidenten Peter Müller und seiner Innenministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU).

Heute, fast 17 Jahre nach der Abschiebung, gehe es den meisten in der Familie „weitgehend gut“, sagt Jakub Özdemir. Er und fünf Geschwister leben seit mehreren Jahren legal in Deutschland, verteilt über die ganze Republik. Seine beiden Schwestern waren 2003 die ersten, die zurückkommen durften. Später folgten die anderen.

Jakub Özdemir kehrte im Jahr 2009 zurück. Heute lebt der 30-Jährige in Saarbrücken und arbeitet als Psychologe für die Diakonie Saar. Seit Februar dieses Jahres besitzt er die deutsche Staatsangehörigkeit. Drei Geschwister sind ebenfalls Deutsche.

Die Familie hat allerdings ein großes Problem: Mutter Sitti darf ihre Kinder nicht besuchen. Das deutsche Konsulat in Ankara verweigert der 59-Jährigen seit mehreren Jahren ein Touristenvisum und verweist auf eine „verringerte Rückkehrwahrscheinlichkeit“. In einem Schreiben des Konsulates vom 29. Mai heißt es, Sitti Özdemir hätte ihre „familiären, wirtschaftlichen oder materiellen Bindungen in die Türkei nicht ausreichend nachgewiesen“.

Für Jakub Özdemir ist das unverständlich. Er sagt: „Eine dauerhafte Rückkehr nach Deutschland steht überhaupt nicht zur Debatte.“ Schließlich handele es sich bei seiner Mutter um eine „verheiratete Frau, die in ihrer Heimat Ehemann, Sohn, eine Immobilie im Wert von rund 50 000 Euro und vieles mehr zurücklassen würde“. Alle drei in der Türkei gebliebenen Familienmitglieder lebten dort sorgenfrei, auch finanziell, sagt Özdemir. Der Besuch diene vor allem dazu, seine Verlobte und deren Eltern kennenzulernen. Außerdem soll seine Mutter endlich alle in Deutschland lebenden Kinder wiedersehen können.

In seiner Verzweiflung hat sich Özdemir im April an Heiko Maas (SPD) gewandt. Maas war 2001 Oppositionsführer im Saarland und gehörte nach der Abschiebung zu den Unterstützern der Familie. Er forderte ihre Rückkehr und beteiligte sich an einer Mahnwache. Seit ein paar Monaten ist er Außenminister. In einer E-Mail erinnerte Özdemir den Politiker an die Situation vor 17 Jahren und bat um Hilfe. Doch der Unterstützer von damals ließ nichts von sich hören. Özdemir erhielt zwar eine Antwort, aber nicht von Maas, sondern von einem Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes („Bundesminister Maas dankt für Ihre E-Mail“). Weitergebracht hat Özdemir das Schreiben nicht, nur seinen Frust verstärkt.

 Jakub Özdemir.

Jakub Özdemir.

An Kramp-Karrenbauer richtete er im April ebenfalls eine E-Mail. Doch auch auf eine Reaktion der CDU-Generalsekretärin wartete er vergeblich. Lediglich eine Mitarbeiterin aus dem „Bürgerservice der CDU-Bundesgeschäftsstelle“ antwortete nach zwei Monaten. In einer kurzen E-Mail schreibt sie: „Leider können wir Ihnen bei dem Fall nicht helfen. Die Geschichte klingt wirklich herzzerreißend und es tut mir leid, dass dieser Familie dieses Unglück passiert. Es sind die zuständigen Ausländerbehörden und Asylämter, die sich den Einzelfällen annehmen.“ Über die eigenartige Wortwahl ist Özdemir immer noch erstaunt. Von Kramp-Karrenbauer ist er genauso enttäuscht wie von Maas. Doch seit ein paar Tagen hat er neue Hoffnung. Das deutsche Konsulat in Ankara, berichtet er, habe seine Mutter angerufen und darum gebeten, den Pass sowie den Nachweis über die Buchung eines Hin- und Rückfluges zuzusenden. Özdemir wertet das als gutes Zeichen: „Offenbar hat der Widerspruch gegen das abgelehnte Visum nun doch gefruchtet.“

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