Auf die Intensivstation und den Magen auspumpen

Püttlingen. Alkoholvergiftungen sind bundesweit die häufigste Vergiftungsart. Auch im Püttlinger Knappschafts-Krankenhaus gehören sie zum Alltag. Menschen mit Alkoholvergiftung werden auf die "Innere Station" eingeliefert. Eine Statistik, die sich direkt auf "Besäufnis"-Patienten bezieht, gibt es an der Klinik nicht

 Eine betrunkene Jugendliche nach dem Komasaufen. Foto: dpa

Eine betrunkene Jugendliche nach dem Komasaufen. Foto: dpa

Püttlingen. Alkoholvergiftungen sind bundesweit die häufigste Vergiftungsart. Auch im Püttlinger Knappschafts-Krankenhaus gehören sie zum Alltag. Menschen mit Alkoholvergiftung werden auf die "Innere Station" eingeliefert. Eine Statistik, die sich direkt auf "Besäufnis"-Patienten bezieht, gibt es an der Klinik nicht. Allerdings gibt es bei der Abrechnung eine Unterteilung in verschiedene Krankheitsbilder, und die Art der hier angesprochenen Alkoholvergiftungen entspricht der "Diagnosegruppe V60C". 52 solcher Fälle gab es im vergangenen Jahr in Püttlingen, ein Jahr zuvor waren es nur 35 Fälle. Darüber hinaus gab es im vergangenen Jahr auch 32 weitere, allerdings anders gelagerte Krankheits-Fälle im Zusammenhang mit Alkohol (in diesen Fällen in Verbindung mit Entzugserscheinungen beziehungsweise psychotischen Störungen).

Dr. Matthias Maier, Chefarzt der medizinischen Klinik 1 ("Innere") erläutert: "Alkoholvergiftung führt zu einer Art Narkose. Normalerweise wird der Alkohol innerhalb von 24 Stunden wieder ausreichend abgebaut". Während dieser Zeit nehme man die Patienten in Obhut. Sie werden dann auf der Intensivstation überwacht. Ihre Atmung wird kontrolliert, und wichtig sei es auch, darauf zu achten, dass sie nicht an Erbrochenem ersticken.

Beim sogenannten Komasaufen gehe es in der Regel um Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 25 Jahren. Wenn sie ihren Rausch ausgeschlafen hätten, würde man sie den Eltern übergeben. Randalierer landen nicht im Püttlinger Krankenhaus, denn die sind, so Maier, "vital und nicht so gefährdet".

Es gibt drei Zeiten im Jahr, in denen die Zahl der eingelieferten Alkohol-"Patienten" steigt, fand die Rechnungsstelle der Klinik heraus, nämlich jetzt, zur Fastnachtszeit, zudem während der Kirmes und auch während des Musikfestivals Rocco del Schlacko, wenn tausende junge Leute nach Püttlingen kommen.

Was kostet eigentlich die Behandlung eines Alkohol-Sünders? Das ist nicht ganz einfach zu beantworten. Grundsätzlich, so Werner Zender, Leiter des Rechnungswesen, unterscheide man bei Patienten bei den Berechnungen nur nach Gruppen von Krankheitsbildern und dem entsprechend von Behandlungen und Kosten. Der sogenannte "Basisfallwert" von 3002 Euro wird dann, je nach Krankheitsbild, mit einer bestimmten Punktzahl multipliziert. "Das läuft in allen Krankenhäusern gleich", schildert Zender. Bei der genauen Kosten-Ermittlung mit Hilfe eines entsprechenden Computer-Programms ("Grouper-Software-Programm") wird der Preis dann an Hand der Diagnose und der angewandten Prozeduren (beispielsweise Magenauspumpen) errechnet. Berücksichtigt werden Krankheitsbild und Begleiterscheinungen. Bei Alkoholvergiftungen unterscheidet man drei Kategorien: Die höchste und aufwendigste ist die Kategorie "V60A". Davon spricht man, wenn zur Vergiftung noch Entzugserscheinungen hinzu kommen, oder durch Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit eine Störung mit psychotischen Syndrom vorliegt. Im vorigen Jahr war dies in Püttlingen 13 Mal der Fall. Die abgestufte Version "V60B" - mit Entzugserscheinungen, aber ohne "psychotische Syndrome" - kam 19 Mal vor.

Jugendliche, die sich "volldröhnen" und nach 24 Stunden wieder entlassen werden, fallen in die Diagnosegruppe "V60C". Dazu zählen alle Fälle von Alkoholvergiftung, die weder psychotische Syndrome noch Entzugserscheinungen zeigen (52 Fälle 2009, 35 Fälle 2008). Für die "V60C" (also für betrunken eingelieferte Jugendliche, die einen Tag in der Klinik bleiben) ist der Multiplikator in diesem Jahr 0,446, somit kosten die medizinischen Leistungen für einen solchen Alkohol-Patient 1339 Euro. Hinzu kommen oft noch Krankentransport und Notarzt-Einsatz.

"Alkoholvergiftung führt bei den Betroffenen

zu einer Art Narkose."

Dr. Matthias Maier

Hintergrund

Alkoholvergiftung: Ab einem Blutalkoholspiegel von 1,4 Promille spricht man von Alkoholvergiftung. Der Blutalkoholspiegel ist abhängig von Geschlecht, Gewicht und von dem, was der Betroffene zuvor gegessen hat. Hinzu kommen auch weitere Faktoren wie die Einnahme von anderen Drogen, von Schmerz- und Beruhigungsmitteln. Erste Anzeichen für eine Alkoholvergiftung sind Übelkeit und Erbrechen. Das Verhalten ist gekennzeichnet durch übertriebene Fröhlichkeit oder Aggressivität. Unkoordinierte Bewegungen, Sprachstörungen und verminderte Schmerzempfindlichkeit sind typisch.

Bei schwerer Vergiftung (ab 2,5 Promille) kann es zu Bewusstlosigkeit und vollständigen Erinnerungslücken kommen.

Ab 3,5 Promille kommt es zu einem tiefen Koma. Atemstörungen bis hin zu Atemstillstand sowie Herz- und Kreislaufversagen sind möglich. Die tödliche Dosis beginnt bei drei Promille. Lebensgefahr besteht vor allem dadurch, dass Erbrochenes in die Lunge gelangt. hof

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