Als sich Tina fast im Land geirrt hätte

Es gibt viele Fragen, die man sich stellen kann, wenn man sich eine Weile in den Räumen der Saarbrücker Ausländerbehörde aufhält. Tina Ebiashvili hat sich zum Beispiel gefragt, ob sie sich geirrt hat. Nicht in der Tür zu einem Wartezimmer oder einem Büro, nein, die Georgierin war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob sie im richtigen Land ist

Es gibt viele Fragen, die man sich stellen kann, wenn man sich eine Weile in den Räumen der Saarbrücker Ausländerbehörde aufhält. Tina Ebiashvili hat sich zum Beispiel gefragt, ob sie sich geirrt hat. Nicht in der Tür zu einem Wartezimmer oder einem Büro, nein, die Georgierin war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob sie im richtigen Land ist. "Ich war in Goethe verliebt und auch ein bisschen in Schiller", sagt Tina. Und da saß sie nun in der Ausländerbehörde und zweifelte: "Ist das das Land von Goethe und Schiller?"In wen Irakli Rukhadse damals, vor 20 Jahren, verliebt war, muss an dieser Stelle offen bleiben. Er kam jedenfalls vor 17 Jahren nach Saarbrücken, um Germanistik zu studieren. Das hatte auch etwas mit Liebe zu tun, der Liebe zur deutschen Sprache. Iraklis Vater hat deutsche Litereratur ins Georgische übersetzt. "Bei uns zu Hause in Tbilissi waren Heinrich Böll und Martin Walser zu Besuch", erinnert sich Irakli. "Und irgendwann kam Hermann."

Das war, wenn Irakli sich richtig erinnert, 1971. Im Tbilisser Theater wurde Brechts "Guter Mensch von Sezuan" geprobt. Iraklis Vater hatte den Text ins Georgische übersetzt. Und im Theater und dann bei Irakli zuhause war Hermann Wedekind, der Intendant des Saarbrücker Theaters. Man hat sich angefreundet. Nach den Theaterleuten kamen Politiker aus Saarbrücken. 1975 wurde die Städtepartnerschaft zwischen Tbilissi und Saarbrücken besiegelt. Eine Sensation war das, schließlich war Tbilissi damals noch eine Provinzhauptstadt in der Sowjetunion und Saarbrücken lag weit im feindlichen Westen.

Saarbrücken und Tbilissi, das sei so eine tolle Sache, sagt Tina. Da könne sie sich nur wundern, dass es in Saarbrücken kein georgisches Restaurant gibt. Und wenn Tina sich wundert, dann tut sie meistens auch was. In diesem Fall hat sie zusammen mit Irakli beschlossen: "Wir machen Tbilissi in Saarbrücken auf."

"Tbilissi" ist seit einigen Tagen offen. So heißt die Gaststätte, die die beiden seit einigen Tagen im Hotel Fuchs am St. Johanner Markt betreiben. Zurzeit gibt es dort freitags und samstags Gegrilltes. Die Speisekarte soll aber bald etwas üppiger werden. Tina, die sich im Kulturmanagement einen Namen gemacht hat, und Irakli, der viel Gastronomie-Erfahrung gesammelt hat, sind dabei, einen Koch aus Tbilissi zu engagieren. Dann werde mitten in Saarbrücken bewiesen, was eh "weltweit bekannt" ist, sagt Tina: "Dass die georgische Küche grandios ist." Und ganz nebenbei soll der Treffpunkt am Markt die Freundschaft zwischen Georgiern und Saarländern vertiefen.

Dass Tina ihren Glauben an das Land, in das sie vor 20 Jahren eingereist ist und das so wenig mit ihrer Liebe zu Goethe und Schiller anfangen kann, nicht verloren hat, liegt an einer Entdeckung, die sie jenseits der Ausländerbehörde gemacht hat: "Saarländer und Georgier sind sich sehr ähnlich: Sie sind sehr herzliche Menschen."

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