Ärzte fordern Alkohol-Werbeverbot

Saarbrücken · Kinder- und Jugendärzte wollen Alkoholwerbung verbannen – vor allem aus dem Sport. Doch nicht nur Brauereien und Werbeindustrie sind dagegen, auch im Sport und in der Politik stößt die Forderung auf Skepsis.

Angesichts des zunehmenden Alkoholmissbrauchs durch Kinder und Jugendliche fordern deutsche Kinder- und Jugendärzte ein Werbeverbot für Alkohol - insbesondere bei Sportveranstaltungen. Auch die saarländischen Kinderärzte tragen diese Forderung mit, vor allem mit Blick auf die anstehende Fußball-WM und die Olympischen Winterspiele, bei denen besonders häufig für Alkohol geworben werde. "Dabei wird Alkohol ganz selbstverständlich mit Sport verknüpft und ein positives Lebensgefühl suggeriert", erklärt Dr. Benedikt Brixius, Sprecher des Landesverbands der Kinder- und Jugendärzte. So würden Jugendliche zum Trinken verführt. Die Vorstellung, dass etwa Fußball und Bier zusammengehörten, sei weit verbreitet. "Das ist je nach Verein unterschiedlich, aber ich habe Fälle erlebt, in denen Jugendlichen nach einem Turnier ein Kasten Bier hingestellt wurde", sagt Brixius. Im Jahr 2012 waren im Saarland 488 Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 19 Jahren nach einem Rausch in eine Klinik eingeliefert worden - so viele wie nie seit Beginn der Erhebung 2000.

Brauereien und Werbeindustrie halten wenig von der Forderung. Die großen Saar-Brauereien verweisen auf den Deutschen Brauer-Bund, der ein Verbot ablehnt. "Die von Werbegegnern behauptete Verbindung zwischen Werbung und Konsum ist durch eine Vielzahl von Studien widerlegt", erklärt Hauptgeschäftsführer Holger Eichele. Entscheidend sei vielmehr das direkte Umfeld der Jugendlichen. Er warnt davor, ein Werbe- und Sponsoringverbot im Sport einzuführen: "Das hätte vor allem zur Folge, dass dem Sport erhebliche finanzielle Mittel nicht mehr zur Verfügung stünden." Stattdessen sollten Jugendliche, Eltern und Trainer für die Problematik sensibilisiert werden.

Auch die Werbeindustrie sieht die Wurzel des Übels woanders. "Die Ursachen für Alkoholmissbrauch liegen vor allem in der Persönlichkeit und im sozialen Umfeld", erklärt Manfred Parteina, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft. Es bestehe bereits ein Verbot, Alkohol-Werbung an Kinder und Jugendliche zu richten. "Darüber hinaus setzen Hersteller und Handel ihre Werbung sehr verantwortungsbewusst ein", ist Parteina überzeugt. Das sieht Matthias Hahn, Geschäftsführer der saarländischen Werbeagentur HDW, die unter anderem Karlsberg betreut, ähnlich. So werbe Karlsberg bei den meisten Sportveranstaltungen nur mit alkoholfreiem Bier. "Durch Aufklärung und Selbstverpflichtung wird mehr erreicht als durch Verbote", so Hahn.

Bei Vertretern von Sport und Politik stößt die Forderung ebenfalls auf Skepsis. So unterstützt Udo Genetsch, Vorsitzender der Saarländischen Sportjugend, das Anliegen der Ärzte zwar im Kern. Vor allem im Kinder- und Jugendsport sei "kein Platz für Alkohol". Er ist jedoch überzeugt, dass es nicht zu einem Verbot kommen wird: "Dafür ist der Alkohol in unserer Gesellschaft zu sehr anerkannt." Statt auf ein Verbot setzt er auf Überzeugungsarbeit und Vorbilder in den Vereinen: "Ich denke, man kann mehr erreichen, wenn beispielsweise Trainer und Leistungssportler als Vorbilder auf Alkohol verzichten." Saar-Gesundheitsminister Andreas Storm (CDU) hält ein generelles Werbeverbot für falsch - nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Bedenken. Er setzt auf Prävention und Aufklärung. Ein runder Tisch mit Vertretern des Landes und der Kommunen, der Jugend- und Sportverbände sowie der Brauereien befasste sich 2013 mit der Problematik. Nun soll unter anderem eine Zertifizierung für Vereine eingeführt werden, mit denen diese deutlich machen können, dass sie den Jugendschutz einhalten.

Kinderarzt Brixius ist bewusst, dass die Chancen, das Verbot durchzusetzen, gering sind: "Dahinter steckt eine riesige Industrie, und es fließen viele Sponsorengelder." Doch der Verband werde "den Finger in die Wunde legen" und seine Forderung dem Bundesdrogenbeauftragten vortragen.

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