2000 eilige Kunden jeden Tag

Saarbrücken · Rund zehn Millionen Gäste nutzen nach Angaben der Deutschen Bahn jedes Jahr den Saarbrücker Hauptbahnhof. Sie fahren ab, kommen an, kaufen sich eine Fahrkarte, vielleicht noch eine Zeitung und einen Kaffee. Für viele Menschen ist der Bahnhof aber auch Arbeitsort. Wir stellen einige vor. Heute: Buchhändler Michael Demuth.

 Michael Demuth arbeitet seit 15 Jahren in der Saarbrücker Bahnhofsbuchhandlung. Foto: Becker&Bredel

Michael Demuth arbeitet seit 15 Jahren in der Saarbrücker Bahnhofsbuchhandlung. Foto: Becker&Bredel

Foto: Becker&Bredel

Die meisten Buchhändler würden wohl niemals mit Michael Demuth und seinem sehr lebendigen, bisweilen hektischen Arbeitsplatz tauschen wollen. Umgekehrt kann sich der 43-jährige Saarbrücker nicht vorstellen, an einem anderen Ort als dem Hauptbahnhof zu arbeiten. Michael Demuth steht als kaufmännischer Angestellter in Diensten der Bahnhofsbuchhandlung Bergmann. Das heißt seit 15 Jahren: Tag für Tag etwa 2000 oft eilige Kunden, kaum eine ruhige Minute und dazu Wechseldienst und Wochenendarbeit. Insgesamt arbeiten hier zehn Menschen.

Wenn Michael Demuth zur Frühschicht eingeteilt ist, steht er daheim in Dudweiler um 3.30 Uhr auf. Ab 4.30 Uhr räumt er die frisch gelieferten Zeitungen in die Ständer, bei der Ladenöffnung um 5 Uhr warten die ersten Kunden schon vor der Tür. Die Mittagsschicht dauert von 12.30 bis 21 Uhr, erlaubt zwar einen gemächlichen Vormittag, geht "gefühlt" aber nicht so schnell vorbei wie die frühe.

Michael Demuth ist ein Urgroßneffe von Lenchen Demuth, der Haushälterin von Karl Marx, hat aber nichts mit der Saarbrücker Polit-Buchhandlung Lenchen Demuth zu tun. Seine erste und einzige Bewerbung schrieb er an die Familie Bergmann, die den Bahnhofsbuchhandel betreibt, wurde eingestellt und hat seither keinen Gedanken an einen Wechsel verschwendet: "Man hat hier eine sehr vielfältige Klientel, Leute, die nur eine Boulevardzeitung wollen, aber auch Käufer von Kunstmagazinen. Mich reizt diese Vielfalt, das Spektrum der Leute", schwärmt Michael Demuth. Zu der gehört nicht nur das Wissen um das riesige Sortiment von Büchern und mehreren tausend Zeitschriftentiteln, darunter sogar zwei chinesische. Der 43-Jährige macht auch Büroarbeit und dekoriert die Schaufenster. Dass er recht gut Französisch und sehr gut Englisch spricht, kommt so manchem Kunden sehr entgegen.

Auf die Frage, was ihm an seiner Arbeit nicht gefällt, muss Michael Demuth etwas überlegen. Und formuliert die Antwort diplomatisch elegant: Am liebsten möge er die Zeitgenossen, die den Wunsch nach einem "guten Tag" erwiderten. Solch respektvoller Umgang sei heutzutage aber nicht mehr Standard. Viele Leute trügen Kopfhörer und fielen damit für Konversation aus. Verzichten könnte der Buchhändler auch gern auf die gelegentlichen Bombenalarme am Bahnhof, in deren Folge auch die Buchhandlung geräumt wird. Dann heißt es für alle: Draußen warten!

In der Freizeit geht Michael Demuth mit seiner Frau einem seltenen Hobby nach: Square-Dance, ein von amerikanischen Siedlern entwickelter und nach Europa zurückgebrachter Figuren-Volkstanz, der in Gruppen von je vier Paaren ausgeführt wird. Demuth gehört zu den Gründern des kürzlich ins Leben gerufenen ersten saarländischen Square-Dance-Clubs. Und sollte es je eine deutsche Square-Dance-Fachzeitschrift geben, Michael Demuth verspricht, sie ins Sortiment zu nehmen.

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