20 erobern nun Mexiko

Saarbrücken. Früher hat die Telefilm Saar in dieser Halle Fernsehfilme gedreht. Doch Scheinwerfer, Filmkameras und schillernde Kulissen sucht man hier an diesem Freitagabend vergeblich

Saarbrücken. Früher hat die Telefilm Saar in dieser Halle Fernsehfilme gedreht. Doch Scheinwerfer, Filmkameras und schillernde Kulissen sucht man hier an diesem Freitagabend vergeblich. Nüchternes Arbeitslicht herrscht in dem mit Gummiboden ausgelegten Raum, an dessen Rändern junge Frauen und Männer in legerer Trainingskleidung in Warteposition verharren, leise miteinander tuscheln und immer wieder zu einem langen Tisch schielen.20 Statisten sucht das Staatstheater, um den sogenannten Bewegungschor in der Oper "Die Eroberung von Mexiko" zu verstärken. 44 Kandidatinnen und Kandidaten sind zum Casting erschienen. Nach dem ersten Durchgang in der Gruppe ruft Choreograf Rafal Dziemidok die Bewerber jetzt zu Einzelgesprächen an den Jury-Tisch. Der ist international besetzt. Neben Dziemidok, der aus Warschau angereist ist, sitzen Inga Levant, die russische Regisseurin, und Petra Korink, die holländische Kostümbildnerin, und machen sich schweigend Notizen.

"What's your name? Wie heißt du, was machst du beruflich?", fragt der Choreograf die blonde Meike, die gerade auf dem Stuhl Platz nimmt, wie vor dem Jüngsten Gericht. Im Fünfminutentakt wechseln hier die Kandidaten, Meike ist Nummer 39. Oh, in einem Call-Center arbeite sie? "Das ist ein harter Job!", findet Dziemidok. Meike nickt lächelnd. Ihre Passion ist das Tanzen, in einer Funkengarde. Meike soll zeigen, was sie kann. Sie steht auf, holt Luft, schwingt ihr rechtes Bein bis an den Kopf und lässt sich mit einem Ruck in den Spagat fallen. "Oh, no. Tut das nicht weh?" Dziemidok wendet sich stöhnend ab. Meike lächelt tapfer. Das war's schon.

Stefanie ist dran. Auch die Gymnastiklehrerin war Funkenmariechen. Noch eins? Dziemidok staunt. "Verletz' dich nicht!", ruft er noch, während sie das Bein hochreißt - und plötzlich zusammenbricht. Stefanie hält sich krampfhaft lächelnd das umgeknickte Sprunggelenk und kann es nicht fassen. Doch das war's dann leider für sie.

Ein junger Mann trägt sie auf Händen in den Waschraum, wo sie die Schwellung mit Wasser kühlen will.

Nun sitzt Maile auf dem heißen Stuhl. Ihre Mutter sei Theaterdirektorin in Argentinien, erzählt die Studentin der interkulturellen Kommunikation. Und sie selbst spiele Theater, wann immer sie kann.

Maile soll etwas auf Spanisch rezitieren. Bloß keinen Gardetanz mehr. Dziemidok, Levant und Korink sind von der hübschen jungen Frau sichtlich beeindruckt.

Das Aussehen spiele aber nicht die entscheidende Rolle, betont der Choreograf. "Wir suchen Leute, die sich bewegen können und auf der Bühne Ausstrahlung, Präsenz zeigen", bekräftigt auch Regisseurin Inga Levant.

Nach zweieinhalb Stunden Casting darf auch Kevin erst mal nach Hause. Der 19-Jährige, Informatik-Student und Freestyle-Tänzer, war der letzte Kandidat für heute. Noch an diesem Abend will das Regieteam über die 20 Statisten entscheiden. "Es waren so viele gute Leute dabei", sagt Dziemidok. Das sieht also schwer nach Überstunden aus.

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