Innovative Herzdiagnostik Alternative zum Herzkatheter – diese zwei Saar-Kliniken sind dafür gerüstet

Völklingen/Saarlouis · In zwei saarländischen Kliniken bezahlt die Techniker-Krankenkasse jetzt Computertomografien bei Herzuntersuchungen. Was Patienten über das Diagnoseverfahren wissen müssen – und welche Vorteile es bietet.

 Dr. Lorenz Jochum, Oberarzt und Leiter Kardiologische Schnittbildverfahren am Herzzentrum Völklingen, steht neben dem Computertomografen, der jetzt auch bei Kassenpatienten routinemäßig für die Herzdiagnostik eingesetzt wird.

Dr. Lorenz Jochum, Oberarzt und Leiter Kardiologische Schnittbildverfahren am Herzzentrum Völklingen, steht neben dem Computertomografen, der jetzt auch bei Kassenpatienten routinemäßig für die Herzdiagnostik eingesetzt wird.

Foto: SHG-Klinikum Völklingen

Bei einer Herzkatheter-Untersuchung wird überprüft, ob die Durchblutung des Herzens durch Engstellen und Verschlüsse gestört ist. Mit einem weniger als zwei Millimeter dicken Kunststoffschlauch, dem Katheter, der über eine Ader an der Leiste, der Ellenbeuge oder am Handgelenk eingeschoben wird, und mithilfe eines Kontrastmittels können die Herzkranzgefäße und Herzkammern auf einem Röntgenbildschirm sichtbar gemacht werden.

Kassen übernehmen Kosten nur in Ausnahmefällen

Eine Herzkatheter-Untersuchung ist allerdings nicht risikolos. Es kann schlimmstenfalls zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen, Blutungen oder einem Schlaganfall kommen. Doch es gibt Alternativen zum Katheter: Untersuchungen in der Röhre. Gemeint ist eine Computertomografie oder eine Magnetresonanztomografie. Im Saarland werden diese Verfahren in vielen Krankenhäusern schon seit Jahren eingesetzt. Doch derzeit übernehmen die Krankenkassen für gesetzlich versicherte Patienten nur in Ausnahmefällen die Kosten, zum Beispiel bei Notfall-Patienten. Das könnte sich bald ändern. Die Techniker-Krankenkasse hat im Saarland mit dem Herzzentrum der SHG-Kliniken in Völklingen und mit der Praxis für Radiologie und Nuklearmedizin im Marienhaus-Klinikum St. Elisabeth in Saarlouis separate Verträge geschlossen, sodass Patienten mit Verdacht auf eine koronare Herzerkrankung vorrangig per Computertomografie (Kardio-CT) oder Magnetresonanztomografie (Kardio-MRT) untersucht werden können.

„Bei beiden Verfahren hat es im letzten Jahrzehnt außerordentliche Fortschritte gegeben. Sie erlauben eine schonende Diagnostik bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, sagt Dr. Lorenz Jochum, Oberarzt und Leiter Kardiologische Schnittbildverfahren am Herzzentrum Völklingen. Er geht davon aus, dass vielleicht in zwei Jahren die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten generell übernehmen könnten.

Haben Hausärzte oder niedergelassene Kardiologen bei einem Patienten aufgrund von Risikofaktoren wie Rauchen, hohem Cholesterinspiegel, Bluthochdruck, Diabetes, Adipositas und Bewegungsmangel sowie anschließender Untersuchungen wie Herz-Ultraschall und Herzstrommessungen (EKG) den Verdacht auf ein geschädigtes Herz, kann ein Kardio-CT in vielen Fällen endgültige Klarheit schaffen.

Herz wird mithilfe von Röntgenstrahlen Schicht für Schicht dargestellt

„Beim Kardio-CT werden das Herz und seine Umgebung mithilfe von Röntgenstrahlen Schicht für Schicht dargestellt“, erklärt Jochum. „Das dauert nur drei bis fünf Minuten. Es werden Gewebestrukturen von nur 0,4 Millimetern Größe erkennbar. Das reicht aus, um eine Verengung der Herzgefäße bis zu einem mittleren Schweregrad sicher zu erkennen oder auszuschließen. Bei einer fortgeschrittenen Verengung reichen die CT-Bilder aber nicht mehr aus, weil Kalk- und Fettablagerungen, die die Engstelle verursachen, nicht exakt genug dargestellt werden. Die CT-Diagnostik stößt hier derzeit an ihre Grenzen.“

Über Kontrastmittel Durchblutungsstörungen erkennen

In solchen Fällen hilft die Kardio-MRT weiter. Bei dieser Untersuchung werden durch ein starkes Magnetfeld die Kerne in den Wasserstoffatomen des Körpers angeregt, wodurch elektrische Signale erzeugt werden, die charakteristische Bilder auf den Bildschirm liefern. Da die verschiedenen Gewebe im Körper unterschiedlich viele Wasserstoffatome aufweisen, sind sehr feine Abgrenzungen möglich. „Wir arbeiten mit einer so genannten Stress-Kardio-MRT“, erläutert Jochum. „Wir verabreichen dem Patienten den Medikamentenwirkstoff Adenosin und leiten über die Armvene ein Kontrastmittel ein. Adenosin weitet die Gefäße, das Kontrastmittel strömt durch die Herzgefäße. Wo es verspätet ankommt, liegt eine Durchblutungsstörung vor. Die MRT-Bilder zeigen das sehr detailliert an.“

Ein Stress-Kardio-MRT kann auch mithilfe des Wirkstoffs Dobutamin durchgeführt werden. „Er wirkt ähnlich wie das so genannte Stresshormon Adrenalin, simuliert also eine starke Belastung des Herzens“, erläutert Jochum. „Wie bei körperlicher Anstrengung wird der Herzmuskel stärker durchblutet, wodurch er sich verdickt. Wo die Dicke jedoch nicht zunimmt, ist von verengten Gefäßen auszugehen. Bei dieser Methode muss kein Kontrastmittel eingesetzt werden“

CT erspart oft den Herzkatheter-Eingriff

Am Herzzentrum Völklingen werden jährlich rund 3000 Kardio-CT durchgeführt. „70 bis 80 Prozent dieser Patienten kann ein anschließender Herzkatheter-Eingriff erspart werden“, berichtet Jochum. „Die Tomografien ermöglichen eine sehr sichere Diagnose.“ Die Ärzte beurteilen immer auch die Umgebung der Gefäße. „Die Probleme beginnen mit einer Verdickung des Gewebes um das Gefäß herum“, sagt Jochum. „Kalk und Fett lagern sich erst außen am Gefäß an. Das kann Entzündungen hervorrufen, die dazu führen, dass die Ablagerungen, die so genannten Plaques, auch ins Gefäß hineinwachsen.“

Winziger Ballon weitet die Engstelle

Nur wenn der Gefäßdurchmesser bereits zu etwa zwei Dritteln verengt sei, sodass Medikamente zur Therapie nicht mehr ausreichten, müsse per Herzkatheter das verengte Gefäß geweitet werden. Dies übernimmt ein winziger Ballon, der mit dem Katheter eingeführt und an der Engstelle aufgeblasen wird. „In 80 Prozent wird zudem eine Gefäßstütze, ein so genannter Stent, eingesetzt“, sagt der Mediziner. „Bei den anderen 20 Prozent handelt es sich um sehr kleine Gefäße mit einem Durchmesser von weniger als zwei Millimetern. Hier lässt sich kein Stent einschieben.“

Die Völklinger Herzspezialisten sind immer wieder verblüfft, dass sie bei einigen Patienten eine weit fortgeschrittene Atherosklerose entdecken, also durch Fette und Kalk stark verengte Gefäße, die im Alltag noch keine Probleme verursachen. Eine Kardio-CT, bei der immer auch die Umgebung des Herzens erforscht wird, zeigt zudem auch hin und wieder, dass die gesundheitlichen Beschwerden nicht auf eine Herzschwäche zurückzuführen sind, sondern auf eine Lungenschädigung oder einen Lungentumor. „Bei einer Katheter-Untersuchung ist das nicht zu erkennen“, sagt Jochum.

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