Saarland stärkt Rechte der Eltern

Die neue Jamaika-Koalition setzt erste Akzente in der Bildungspolitik: Wer künftig das Gymnasium oder die Erweiterte Realschule besuchen will, benötigt nicht mehr die Empfehlung der Grundschule.

Saarbrücken. Im Saarland brauchen Schüler künftig beim Wechsel von der Grundschule auf weiterführende Schulen keine verbindliche Schullaufbahn-Empfehlung der Lehrer mehr. Das kündigte gestern der neue Bildungsminister Klaus Kessler (Grüne) an. "Wir wollen das Elternrecht stärken und für ein Stück mehr Bildungsgerechtigkeit sorgen", so Kessler.

Eltern können demnach ab dem kommenden Schuljahr in eigener Verantwortung entscheiden, ob ihre Kinder die Erweiterte Realschule, die Gesamtschule oder das Gymnasium besuchen sollen. Ein "verpflichtendes Beratungsgespräch" mit dem Grundschullehrer soll allerdings die Auswahl der weiterführenden Schule erleichtern. Wer dieses Angebot nicht wahrnimmt, werde schriftlich über die Empfehlung informiert.

Der Entwurf für die neue Zeugnis- und Versetzungsordnung ist jetzt in das Anhörungsverfahren gegangen. Das heißt: Bis Anfang Januar haben unter anderem Lehrerverbände und Elternvertretungen die Möglichkeit, ihre Stellungnahme zu dem Vorhaben abzugeben.

Mit dem Halbjahreszeugnis in der vierten Klasse erhalten die Schüler künftig einen umfangreichen Entwicklungsbericht. Er soll Einblick geben in die Lern- und Leistungsentwicklung, die Arbeitshaltung und das Sozialverhalten. Fakten, die in dem pädagogischen Beratungsgespräch mit den Eltern erörtert werden.

Kessler will mit der Neuregelung auch den Druck von den Grundschullehrern nehmen. Sie mussten sich angesichts ihrer Entscheidung immer wieder mit Eltern auseinandersetzen. Wer keine Empfehlung bekam, hatte bisher noch die Möglichkeit, mit einer Prüfung am Gymnasium seine Eignung unter Beweis zu stellen. Die Abschaffung der "verbindlichen Empfehlung" ist im Jamaika-Koalitionsvertrag formuliert.

Kessler selbst hatte, wie er berichtet, in den 60er Jahren keine Empfehlung zum Besuch eines Gymnasiums erhalten. Die damalige Begründung: Er komme aus einem Arbeiterhaushalt. Kessler nahm seinen Bildungsweg über ein Aufbaugymnasium und studierte später für das Lehramt an Gymnasien. In diesem Schuljahr wechselten nach Ministeriums-Angaben 3355 Schüler (39,9 Prozent) aufs Gymnasium. Zum Besuch der Erweiterten Realschule entschlossen sich 3130 (37,3 Prozent). Auf die Gesamtschule gingen 1908 (22,7 Prozent). Die Landeselterninitiative wertete Kesslers Vorhaben als "Bewegung in die richtige Richtung".

Meinung

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Von SZ-Redakteur

Guido Peters

Er drückt offenbar aufs Tempo, der neue Chef im Bildungsministerium. Gerade erst drei Wochen im Amt, schneidet Klaus Kessler einen bildungspolitischen Zopf ab, der längst überfällig war: die "verbindliche Schullaufbahn-Empfehlung" nach der Grundschule. Endlich wird die Verantwortung dorthin zurückgegeben, wo sie hin gehört - zu den Eltern. Ihnen allein sollte die Entscheidung vorbehalten sein, welchen Bildungsweg ihre Kinder einschlagen. Dass Lehrer im Dschungel der vielfältigen Bildungsangebote dabei mit Rat und Tat zur Seite stehen, ist richtig und wichtig. Kesslers Initiative ist auch ein Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit: Für Schüler und Eltern mit der Chance des Gelingens und dem Risiko des Scheiterns.

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