Betreuungsangebot für Kinder Stadtteilbüro Alt-Saarbrücken eröffnet neuen Raum: Rettungsinsel im Betreuungsnotstand

Saarbrücken · Im Kinderhaus in der Moltkestraße bietet das Stadtteilbüro in Alt-Saarbrücken bereits Kinderbetreuung an. Ein zusätzliches so genanntes „Brückenangebot“ für Kinder, die keinen Kita-Platz bekommen haben, gibt es demnächst in neuen Räumen in der Goebenstraße.

 Ann-Cathrin Jirasek (links) und Carolin Cremer vom Alt-Saarbrücker Stadtteilbüro in den neuen Räumen für Kinderbetreuung in der Goebenstraße.

Ann-Cathrin Jirasek (links) und Carolin Cremer vom Alt-Saarbrücker Stadtteilbüro in den neuen Räumen für Kinderbetreuung in der Goebenstraße.

Foto: Esther Brenner

Noch sind nicht alle Möbel da. Aber der Kaufladen und die Puppenecke nehmen Kontur an. So langsam entsteht eine Kita-Atmosphäre in den hellen, rund 100 Quadratmeter großen Räumlichkeiten eines ehemaligen Deko-Geschäftes in der Goebenstraße. Bis zu zehn Kinder im Vorschulalter sollen dort ab September drei Mal pro Woche von neun bis zwölf Uhr betreut werden.

Mit ihrem Angebot versucht das Gemeinwesenprojekt das seit Jahren bestehende Defizit an Kita-Plätzen abzumildern, das vor allem Familien mit Migrationshintergrund trifft. Sei es, weil sie sich zu spät anmelden und die Strukturen nicht kennen. Oder nicht in der Lage sind, eine Kita weit entfernt von ihrem Stadtteil regelmäßig zu erreichen.

Der neue „Kinder-Laden“ ist noch nicht eröffnet, da steht bei unserem Ortstermin plötzlich eine junge Mutter an der offenen Tür. „Ich habe gehört, hier soll es Kinderbetreuung geben. Kann ich meinen zweijährigen Sohn anmelden?“, fragt sie. Sie sei Altenpflegerin und würde gerne arbeiten, ihr Kind habe sie bereits kurz nach der Geburt beim zentralen Kita-Planer der Stadt angemeldet. „Aber er hat erst Aussicht auf einen Platz, wenn er viereinhalb ist“, klagt die Frau. „Er ist sehr scheu und wir sprechen zu Hause vor allem Türkisch“, erzählt die Frau – in perfektem Hochdeutsch. Deshalb sei die Kita wichtig. Man habe ihr einen Platz in Altenkessel angeboten, aber das sei organisatorisch nicht zu leisten, wenn sie arbeiten wolle. „Das würde ich aber gerne, wir brauchen das Geld.“

„Das ist eine typische Situation“, erklärt Carolin Cremer, die neue Leiterin des Alt-Saarbrücker Stadtteilbüros. „Der Bedarf ist riesig.“ Leider kann sie das Kind nur auf die Warteliste setzen. Denn die Plätze im so genannten „Brückenangebot“, mit dem viele Gemeinwesenprojekte versuchen, die größte Betreuungsnot abzumildern, reichen ebenfalls nicht. Allein im Regionalverband fehlen hunderte Kita-Plätze, auch wenn derzeit allerorten Kitas neu gebaut werden. „Wir können hier nur helfen, den Brand zu löschen“, gibt Carolin Cremer zu bedenken.

Vor allem Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, versuche man sprachlich und sozialpädagogisch abzuholen und so gut es in der begrenzten Zeit eben geht auf die Grundschule vorzubereiten, sagt Ann-Christin Jirasek, die die neue Dependance betreut.

Die Sozialpädagogin, die schon in anderen Kinder- und Jugendprojekten der aufsuchenden Sozialarbeit im Stadtteil Erfahrung gesammelt hat, kümmert sich derzeit noch um die fehlende Einrichtung in der Goebenstraße und Materialien.

Im Kinderhaus in der Moltkestraße platze man aus allen Nähten, sagt Cremer. Deshalb hatte sich das Gemeinwesenprojekt stark gemacht für diesen zusätzlichen Standort. 8400 Euro an Totomitteln habe man erhalten, freut sie sich. Möglich sei dies gewesen im Zuge der Ukraine-Hilfe. Doch Flüchtlinge aus der Ukraine betreue das Stadtteilbüro nur wenige. Dafür viele Familien mit arabischem oder türkischem Hintergrund. „Es soll hier aber nicht nur Kindern ein Angebot gemacht werden, auch für deren Eltern wird es ein Programm geben. Die neuen Räume sollen von vielen Menschen aus Alt-Saarbrücken genutzt werden“, formuliert Jirasek das Ziel. Zum Beispiel für einen Deutsch-Sprachkurs. Denn die Sprach-Hürde ist immer noch das Haupt-Hemmnis für Integration und Teilhabe.

Und Isolation. Man wolle daher die Menschen im Viertel besser vernetzen, einen Treffpunkt bieten. Gerade junge Mütter mit erstem Kind hätten ein Bedürfnis, sich auszutauschen, ohne dass es dabei hauptsächlich um Babypflege und die richtige Massage-Technik gehe. „Die gehen nicht in den Pekip-Kurs, wie viele ‚Mittelstands’-Mütter’“, berichtet Cremer aus Erfahrung. Sondern nutzten gerne das niedrigschwellige, kostenlose Angebot des Stadtteilbüros.

Dort kennt man seine Klientel – und weiß auch um die Schwierigkeiten kultureller Unterschiede in der Erziehung. „Wir stellen fest, dass es gerade für Kinder, speziell Jungs aus arabischen Familien, die es nicht in die reguläre Kita schaffen, oft sehr schwierig wird in der Grundschule“, erzählt die Pädagogin Cremer. Das habe nicht nur mit mangelnden Deutsch-Kenntnissen zu tun. Es fehle dann auch das Wissen um Regeln, wie sie in Kitas vermittelt werden, und die Akzeptanz von Grenzen. „Viele dieser Jungs werden selten frustriert“, spricht sie ein Problem an, das in der migrantischen Arbeit ungern thematisiert wird, um sich nicht dem Vorwurf der anti-muslimischen Diskriminierung auszusetzen. „Einige dieser Kinder erleben dann oft ihr blaues Wunder in der Schule, weil sie nicht in einer Kita gelernt haben, Regeln einzuhalten“, bedauert die erfahrene Pädagogin. Das verunsichere Kinder und Eltern gleichermaßen – und kann Chancen verbauen. Deshalb sei es gerade für Kinder aus migrantischen Familien so wichtig, in den Kindergarten zu gehen. Cremer wünscht sich vor diesem Hintergrund zudem mehr Einbindung der Väter. Aber es seien vor allem Frauen und ihre Kinder, die die Angebote des Stadtteilbüros nutzten.

Info und Anmeldung bei Ann-Christin Jirasek unter Tel. (06 81) 947 45 301.

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