Inklusive Wohngemeinschaft Zehn Jahre Gemeinschaft auf Augenhöhe

Saarbrücken · In einer inklusiven Wohngemeinschaft in Saarbrücken leben Menschen mit und ohne Behinderung zusammen.

 Mansi, Florian, Martina und Philipp (von links) auf dem Sommerfest ihrer Wohngemeinschaft in der Kurzen Straße 9.

Mansi, Florian, Martina und Philipp (von links) auf dem Sommerfest ihrer Wohngemeinschaft in der Kurzen Straße 9.

„Es ist einfach das Beste, was es für Menschen mit Behinderungen gibt. Ich habe noch kein besseres Konzept kennengelernt“, sagte Miriam Wolter am vergangenen Sonntag auf dem Sommerfest in der Kurzen Straße 9 im Nauwieser Viertel.

Die inklusive Wohngemeinschaft (WG) feierte am Sonntag nicht nur ihr Sommerfest, sondern auch ihr zehnjähriges Bestehen. Seit zehn Jahren wohnen dort Menschen mit und ohne Behinderung unter einem Dach zusammen. Aktuell sind es elf – sechs mit und fünf ohne Behinderung. Hinzu kommt ein zehnköpfiges Team des Vereins „Miteinander Leben Lernen“ aus Saarbrücken.

„Zwei Teammitglieder sind jeden Tag in der WG. Eins von acht Uhr an und ein anderes ab 16 Uhr. Gemeinsam mit den Bewohnern wird der Alltag gemeistert“, erklärt Miriam Wolter, die seit neuneinhalb Jahren die Leiterin der WG in der Kurzen Straße 9 ist. Menschen ohne Behinderung unterstützen die Teammitglieder bei allgemeinen Diensten wie zum Beispiel beim Einkaufen, Wohnung putzen. Oder beim Bier trinken. „Ja, Bier trinken gehört auch dazu. Wir sitzen abends auch schon mal alle zusammen und trinken einen. Es ist wie in einer richtigen WG. Wir leben alle zusammen. Jeder hat sein Zimmer, und es gibt einen großen Gemeinschaftsraum“, erklärt die WG-Leiterin weiter.

Philipp ist behindert, wohnt in der WG und sagt: „Es ist einfach nur cool. Wir machen viel zusammen und gehen auch mal in die Disko. Mir macht das Leben hier großen Spaß.“ Vor rund zehn Jahren hatte „Miteinander Leben Lernen“ die Idee von der inklusiven WG. Die Saarbrücker Siedlungsgesellschaft machte als Hauseigentümer mit, renovierte das Haus von Grund auf und behindertengerecht.

Hinzu kam die „Aktion Mensch“, die das Projekt ebenfalls großzügig unterstützte. Lokale Sponsoren beteiligten sich und spendeten beispielsweise die geräumige Küche, in der die Geräte fast bis auf Bodenhöhe heruntergefahren werden können.

„Ich habe mich für diese WG entschieden, da ich einfach wissen wollte, wie das Zusammenleben ist. Ich studiere in Saarbrücken und bin seit einem Jahr hier. Ich habe in diesem Jahr unglaublich viel gelernt“, sagt Mansi aus Indien, die nicht zuletzt wegen der behinderten Menschen in der WG mittlerweile sehr gut Deutsch spricht. Es ist ein Geben und Nehmen in der Kurzen Straße 9 – und alle profitieren irgendwie davon.

Kerstin Grass war eine Bewohnerin der ersten Stunde. „Damals gab es eine lange Vorbereitungszeit für uns. Aber die wichtigste und schönste Zeit war, als wir endlich zusammenleben konnten. Die Dienste, die die nicht behinderten Menschen erledigen müssen, habe ich nicht als Pflicht gesehen. Es hat irgendwie alles Spaß gemacht“, erzählte Kerstin Grass.

In St. Arnual gibt es noch eine weitere inklusive WG – auch von Miteinander Leben Lernen. Zwei von etwa 15 solcher WGs in Deutschland. Ein Zusammenleben von Behinderten und Menschen ohne Behinderung, das vorbildlich ist und das es nach der Meinung von Miriam Wolter viel öfter geben sollte. „Wir wollen im nächsten Jahr ein richtig großes Fest feiern und dazu auch Fachvorträge halten. Wir haben in den zehn Jahren sehr viel erreicht“, sagt die WG-Leiterin.

Martina ist behindert und hat sich nach eineinhalb Jahren in der WG so entwickelt, dass sie sich selbstständig machen möchte und im nächsten Jahr in eine eigene Wohnung ziehen wird. Doch bis es soweit ist, genießt sie noch das tolle Zusammenleben in einer außergewöhnlichen WG, die bei genauem Hinschauen dann doch ganz gewöhnlich ist.

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