Hobby oder Berufung? Wenn der Koch in der Kirche die Predigt hält

Saarbrücken-Bischmisheim · In seiner Freizeit lässt sich ein Wirt aus Bischmisheim zum Hilfsprediger der evangelischen Kirche ausbilden.

 Wie wichtig ihm Religion ist, merken auch Michael Dieners Gäste in seinem Gasthaus „Zur Linde“.

Wie wichtig ihm Religion ist, merken auch Michael Dieners Gäste in seinem Gasthaus „Zur Linde“.

Foto: Katja Sponholz

Wenn Michael Diener am Herd steht, passiert es schon mal, dass er stundenlang ein Kirchenlied singt, das er kurz zuvor im Gottesdienst gehört hat. Oder dass er plötzlich den Kochlöffel zur Seite legt, schnell zu Stift und Block greift und ein paar Gedanken zu einem Bibelvers aufschreibt. Wochenlang bereitet sich der 58-jährige manchmal auf eine Andacht oder eine Predigt vor. Der Wirt und Koch aus dem Gasthaus „Zur Linde“ in Bischmisheim hat eine besondere „Nebenbeschäftigung“: Er möchte Prädikant werden. Die Evangelische Kirche setzt verstärkt auf die Ausbildung jener Nicht-Theologen – auch, um für einen drohenden Pfarrermangel im Saarland gewappnet zu sein. Die Kirchenoberhäupter gehen davon aus, dass ab 2020 im Zeitraum von zehn Jahren jährlich durchschnittlich 25 Pfarrer in den Ruhestand gehen und ihnen nur etwa zehn Vikare als Nachwuchs gegenüberstehen.

Zwei Jahre dauert die Ausbildung der Prädikanten – am Ende sollen sie nicht nur selbstständig Gottesdienste leiten und für Seelsorge zuständig sein, sondern auch Sakramente spenden können, sprich Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen durchführen. „Die Ausbildung ist sehr interessant, aber auch sehr mühsam“, weiß Diener nach dem ersten Jahr. Die fünftägigen Seminare bei der Evangelischen Kirche im Rheinland begännen morgens um 7.30 Uhr mit einer Andacht und dauerten oft bis 21 Uhr. „Viele Jüngere sind es gewohnt, zu sitzen und zu lernen – für mich ist das erst einmal eine Umstellung“, gibt der 58-Jährige zu. Auf dem Programm steht zunächst viel Bibelarbeit, zudem lernen die Teilnehmer, wie man anderen Menschen das Alte und Neue Testament näherbringt, wie man Gebete spricht, Seelsorge gestaltet und Amtshandlungen ausübt. Den Abschluss bilden dann ein Kolloquium und die feierliche Ordinierung.

Bei seiner Ausbildung begleitet wird Michael Diener nicht nur von seinem Ortspfarrer Karsten Siegel, sondern auch von Pfarrer Uwe Herrmann, der im Kirchenkreis Saar-West der Ansprechpartner für die nunmehr 15 Prädikanten und drei in Ausbildung ist. „Wir profitieren sehr davon“, gibt er zu. „Denn man muss leider feststellen, dass in den letzten Jahren einige Pfarrstellen weggefallen sind.“ In manchen Zeiten sei es daher schwierig, eine Vertretung zu finden. Dann sei man froh, wenn die Laienprediger zur Verfügung ständen. „Das ist eine große Entlastung.“ Und auch eine Bereicherung für die Gemeinde: „Das Interessante am Prädikantenamt ist ja, dass es sich hier um Menschen handelt, die sonst etwas anderes machen. Und da ist es eine große Chance, dass man sieht: Man muss nicht Theologie studiert haben, um etwas zum Glauben sagen zu können“, sagt Herrmann.

Klar sei jedoch auch, dass es zwischen Pfarrern und Nicht-Theologen keine Konkurrenz geben dürfe. „Es würde auch der Gemeinde nicht gut tun, wenn man sie da zerreißen oder zersplittern würde“, meint Uwe Herrmann. Eher empfinde er die Prädikanten als Ergänzung. Oder, wie Michael Diener es selbst sieht, als „Mittler zwischen Pfarrer und Gemeinde“. Denn solch ein Dienst gehe „nur in Gemeinschaft und in Absprache mit dem Pfarrer“. „Ich will ja schließlich hier keine Außenstelle sein oder ein zweites Pfarrbüro in der ‚Linde‘!“

Gleichwohl nutzen viele Bischmisheimer die Möglichkeit, dass sie mit ihren Fragen in Sachen Kirche auch jederzeit zu Michael Diener ins Gasthaus kommen können: Manche wollen dann einfach nur wissen, wann der nächste Gottesdienst stattfindet und warum die Kirchenglocken geläutet haben. Oder aber es kommen junge Paare mit Fragen zur Taufe und Hochzeit.

Diener selbst hatte schon von klein auf eine Beziehung zur Kirche: In seinem christlich geprägten Elternhaus war es selbstverständlich, dass er als Kind betete und den Kindergottesdienst besuchte. Auch während seiner Ausbildung in anderen Orten riss die Verbindung zur Kirche nie ganz ab: Falls möglich, ging er in den Gottesdienst und besuchte Hausbibelkreise, bis er wieder ins Saarland zurückkam – und schließlich die christliche Tradition mit seinen eigenen Kindern fortführte. Als er mit Anfang 40 vom damaligen Ortspfarrer gefragt wurde, ob er Lust habe, Presbyter zu werden, habe er sofort zugesagt: „Ich habe mich gefestigt gefühlt“, blickt er zurück, „ich wollte Gemeinde mitgestalten.“ Doch als er zwei Jahre später von ihm gefragt wurde, ob er nicht auch Prädikant werde wolle, sagte er noch ab. „Das war mir zu verantwortungsvoll“, gibt er zu. „Das Amt hat sehr viel Bürde, die ich damals nicht bereit war, zu übernehmen. Hier aus dem Gasthaus raus und dann Beerdigungen zu halten – das war noch nicht kompatibel. Das war nicht zusammenzubringen zu der Zeit.“

Heute jedoch fühle er sich dieser Aufgabe gewachsen: „Es macht mir einfach Freude und ich möchte auch der Gemeinde etwas Gutes tun“, sagt er. Mit 58 plane er schon langsam seine Zeit als Rentner. „Andere spielen dann Golf oder Tennis und ich habe diese schöne Aufgabe: Darauf freue ich mich!“ Aktuell bereitet er sich auf drei Advent-Andachten vor, die er am 4., 11. und 18. Dezember (jeweils um 19 Uhr in der Schinkelkirche) hält. „Das ist wie Wellness für mich“, sagt er. Wenn er gestresst sei, gehe er in die Kirche und bereite die Texte vor. „Und dann danke ich Gott, dass ich das machen kann.“

Gottesdienste hält er im Rahmen seiner Ausbildung auch jetzt schon – flankiert von dem Pfarrer, der die Predigt vorher mit ihm bespricht und nach Möglichkeit auch an dem Gottesdienst teilnimmt. Uwe Herrmann erinnert sich noch gut daran, als er dem künftigen Prädikanten auf der Kanzel zugehört habe: „Ich habe an vielen Stellen gemerkt, dass er ein frommer Mann ist“, sagt er. „Und sein Gottvertrauen, das ist mit Händen zu greifen: Dass er auf einer Basis ruht, wo er weiß, da kann ihm eigentlich nichts passieren.“

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