Maßschuhe Die Saarbrücker Schuhmanufaktur Herges: Rolls Royce für die Füße

Saarbrücken · Was er fertigt, sind durchweg Unikate: Der Saarbrücker Johannes Herges stellt in der dritten Generation Maßschuhe her. Zunehmend eine Rolle spielt dabei auch der 3D-Druck.

 Johannes Herges von der Saarbrücker Schuhmanufaktur Herges mit einem Maßschuhe. Im Hintergrund ein Regal mit Leisten der Kunden.

Johannes Herges von der Saarbrücker Schuhmanufaktur Herges mit einem Maßschuhe. Im Hintergrund ein Regal mit Leisten der Kunden.

Foto: Thomas Annen

„Schuster, bleib' bei deinen Leisten!" Die Redewendung kennt fast jeder. Sie empfiehlt, nichts zu tun, wovon man keine Ahnung hat. Und nur über Dinge zu reden, mit denen man sich auskennt. Bei den besagten Leisten handelt es sich nicht um schmale lange Holzteile, sondern um Formstücke, die dem Fuß nachempfunden sind. Um den Leisten herum wird dann der Schuh gebaut. So macht es auch Johannes Herges, wenn er seine Maßschuhe fertigt. Zunächst vermisst er den Fuß und schaut, ob es Fehlstellungen gibt, die korrigiert werden müssen. Dann füttert er den Computer mit den Daten. Ein Programm hilft ihm bei der Konstruktion des Leistens. Produziert wird das Holzstück dann von der 3D-Fräse eines professionellen Leistenbauers.

Menschen, die besonders bequeme oder besonders elegante Schuhe wünschen, gehören zu den Kunden der Saarbrücker Schuhmanufaktur Herges. Ein Musiker bevorzugt grüne Fußbekleidung, ein Fotograf steht auf rote Schuhe. Jäger, die bei Wind und Wetter draußen sind, bestellen warme, wasserdichte und rutschfeste Exemplare. Und kleinwüchsige Damen wollen nicht immer nur Kinderschuhe mit Bärchenmotiv tragen. Sie geben Pumps oder Ballerinas in Auftrag. Alles Schuhe, die Firmeninhaber Herges produziert, sind Unikate – hergestellt nach den Wünschen der Kunden. Und die sind manchmal außergewöhnlich. So wurde die geliebte Lederjacke eines ehemaligen Harley-Davidson-Fahrers zu einem orthopädischen Maßschuh umgearbeitet. Upcycling nennt sich diese Form der Wiederverwertung von gebrauchten Materialien, auch Kaffeesäcke oder abgefahrene Rennradreifen können Füße schmücken.

Nachdem der Kunde das Modell, die Farbe und das Material ausgewählt hat, muss er sechs bis acht Wochen auf das fertige Paar warten. „Jeder Arbeitsschritt ist eine Herausforderung", betont Johannes Herges. „Wir machen noch alles selbst." Die exzellente Qualität hat ihren Preis, knapp 1000 Euro muss man für einen klassischen Lederschuh mindestens zahlen. Hinzu kommen – beim ersten Auftrag – die Kosten für den Holz-Leisten. Und die für den Probeschuh: Er wird aus durchsichtiger Folie gefertigt. So sieht man, ob die Zehen genug Platz haben. Der Leisten wird bei der nächsten Bestellung wieder verwendet. Zuvor kontrolliert Herges, ob noch alles passt. Füße können sich im Laufe des Lebens verändern.

Im Geschäft und in der Werkstatt trägt er selbst Maßschuhe. In seiner Freizeit greift er beim Wandern, Laufen oder Klettern zum Konfektionsschuh aus der Fabrik. Der Fachmann berät und gibt Tipps, entscheiden muss der Kunde selbst. Denn den einen idealen Schuh gibt es nicht. „Manche möchten, dass der Schuh eng sitzt, andere sind froh, wenn vorne viel Platz ist", erklärt der Experte.

Der 40-Jährige führt das Familienunternehmen in dritter Generation, gegründet wurde die Firma 1935 von seinem Großvater Johann Herges. Gerne spielte der Enkel in der Werkstatt des Opas. „Ich fand es immer sehr spannend", erinnert sich Johannes Herges. Er mochte den Geruch des Leders, und an der Schleifmaschine bearbeitete er seine ersten Holzstücke. Nach dem Abitur machte er eine Ausbildung zum Orthopädieschuhmacher. Die abgeschlossene Lehre war Voraussetzung, um sich an der Fachhochschule in Münster für den neuen Studiengang Technische Orthopädie einschreiben zu können.

Während des Studiums lernte Herges nicht nur, Schuhe nach Maß zu fertigen. Elektrotechnik und Technisches Zeichen standen ebenfalls auf dem Lehrplan. Der Studiengang – der dem Maschinenbau angegliedert ist – beschäftigt sich auch mit der Herstellung orthopädischer Hilfsmittel wie etwa Prothesen.

Neue technische Entwicklungen interessieren den Saarbrücker. Gemeinsam mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) des Saarlandes beschäftigt er sich mit den Möglichkeiten des 3D-Drucks. Wer weiß: Vielleicht kommen Schuhe eines Tages komplett aus dem Drucker. Das würde das Berufsbild des Schuhmachers sicher verändern. Herges fürchtet aber nicht, arbeitslos zu werden. Er sieht die Vorteile: In der Werkstatt gäbe es nicht mehr so viel Staub durchs Schleifen, auch der Materialabfall würde abnehmen. „Und ich hätte dann mehr Zeit, mich mit den Kunden zu beschäftigen", erläutert der Firmenchef, der auch zwei Auszubildende betreut. Für den Handwerkernachwuchs ist der Beruf des Orthopädieschuhmachers zurzeit offenbar nicht sehr attraktiv. Das Saarland hat keine Berufsschule mehr, die Lehrlinge müssen zum Blockunterricht nach Frankfurt. Herges bedauert, dass es zurzeit keinen Bewerber gibt, der bei ihm eine Ausbildung beginnen möchte.

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