Saarbrücken Zum Glück für Saarbrücken ein historischer Fehler

Saarbrücken · Warum wir dieses Jahr nicht „700 Jahre Stadt Saarbrücken“ feiern und noch ein Jahr warten dürfen.

 Die Inschrift in der Obertorstraße in Saarbrücken-St. Johann nennt 1321 als Jahr des „Stadtrechtsbriefes“. Nach dem damaligen in der Grafschaft angewandten Kalender war das wohl auch richtig, doch nach unserem heutigen Gregorianischen Kalender war’s in Wirklichkeit das Jahr 1322. 

Die Inschrift in der Obertorstraße in Saarbrücken-St. Johann nennt 1321 als Jahr des „Stadtrechtsbriefes“. Nach dem damaligen in der Grafschaft angewandten Kalender war das wohl auch richtig, doch nach unserem heutigen Gregorianischen Kalender war’s in Wirklichkeit das Jahr 1322. 

Foto: BeckerBredel

Was für eine Schreckensmeldung wäre es für jeden echten Saarländer gewesen: Eine super Gelegenheit für ein großes, nur alle 100 Jahre wiederkehrendes Fest, aber dann funkt Corona dazwischen ... Und auf den ersten Blick hatte es auch ganz danach ausgesehen: Auf Inschriften am St. Johanner Markt heißt es, der „Stadtrechtsbrief“ – eigentlich die „Freiheitsbriefe“ für Saarbrücken und St. Johann – sei im Jahr 1321 verliehen worden. Und auch in diversen Veröffentlichungen ist davon die Rede, dass Graf Johann I. von Saarbrücken aus dem Hause Saarbrücken-Commercy den Freiheitsbrief im März 1321 an die Stadt Saarbrücken und das Dorf St. Johann übergeben habe. Damit wäre der 700. Jahrestag schon in diesem März und würde somit Corona zum Opfer fallen.

Doch zum Glück ist das genannte Jahr falsch, wenn man unseren heutigen Kalender zugrunde legt, und wir müssen uns noch ein weiteres Jahr bis zum „runden Geburtstag“ gedulden: „Die Datierung der besagten Urkunde ist strittig, die wissenschaftliche Prüfung geht jedoch, entgegen der Lokaltradition, ganz klar vom Jahr 1322 aus“, erklärt Dr. Hans-Christian Herrmann, der Leiter des Saarbrücker Stadtarchivs.

Dass es im Laufe der Jahrhunderte zu besagter Verwechslung oder Verschiebung gekommen ist, liegt vermutlich daran, dass man es mit allgemeinverständlicher Genauigkeit vor 699 Jahren eben nicht so genau nahm, unterschiedliche Kalender genutzt wurden und Graf Johanns Familie nicht nur enge Verbindungen nach Frankreich hatte, sondern selbst eine französisch-deutsche Adelsfamilie war – Commercy ist eine lothringische Stadt, Johann I. (geboren um 1260, gestorben 1342) stand auch selbst, ab 1297, im Dienst der Herzöge von Lothringen. Und nach dem damals gebräuchlichen „Metzer Annuationsstil“ begann das Jahr am 25. März.

Dass ein Jahr einheitlich am 1. Januar zu beginnen habe, setzte sich erst nach und nach mit dem 1582 per päpstlicher Verordnung eingeführtem Gregorianischen Kalender durch. Im Mittelalter hatte das Jahr noch, je Region oder Zeit, an unterschiedlichen Tagen begonnen, etwa an Weihnachten, an Ostern oder eben an Mariä Verkündigung (25. März).

Der Saarbrücker Stadtarchivar schildert zum Saarbrücker Freiheitsbrief: „In der Urkunde heißt es 1321 ‚in Merzes mande vor Osteren’. Wenn man den damals gebräuchlichen Metzer Annuationsstil ansetzt, bei dem ein neues Jahr am 25. März beginnt, dann handelt es sich um das Jahr 1322. Der Zusatz ‚vor Osteren’ hat nur einen Sinn, wenn Ostern 1321 oder 1322 in den März und nicht, wie es tatsächlich der Fall war, auf den 19., beziehungsweise 21. April gefallen wäre. Der Zusatz der Datierung erfolgte nach dem ‚Touler Stil’, der, wie eine Vielzahl weiterer Saarbrücker Urkunden dieser Zeit zeigen, seinerzeit auch gerne verwandt wurde. Bei ihm beginnt das neue Jahr an Ostern, und in diesem Fall im April. Das bedeutet: nach Metzer und Touler Stil ist das in unseren Kalender übersetzte Ausstellungsdatum der Urkunde Ende März 1322.“

Und damit könnten wir dann Ende März 2022 – hoffentlich – ohne Corona und sonstige Pandemien unbeschwert feiern.

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