Becolin-Gelände im Saarbrücker Osten Zu viel Gewerbelärm behindert Wohnprojekt

St. Johann · Schon vor einem Jahr sollte auf dem ehemaligen Becolin-Gelände im Saarbrücker Osten ein neues Stadtquartier entstehen.

 Auf dem ehemaligen Becolin-Gelände passiert seit Jahren nichts, obwohl die Pläne fertig sind.

Auf dem ehemaligen Becolin-Gelände passiert seit Jahren nichts, obwohl die Pläne fertig sind.

Foto: Tobias Fuchs

Sozialdemokratie und Kapital schwärmten gemeinsam: Arbeiten, Wohnen und womöglich sogar Kultur zu mischen, das sei genial, vor allem an diesem Standort, dem ehemaligen Becolin-Gebäude in der Nähe des Römerkastells im Saabrücker Osten. Wo einst Farben hergestellt wurden, soll nicht nur wieder gearbeitet werden, es sollen möglichst viele Wohnungen gebaut werden – und auch das vom Förderverein Saarphilharmonie angestrebte Musikzentrum könnte hier Platz finden. Es war im März 2017, als sich die Investoren Torsten Schmeer und Dieter Leismann, ihr Architekt Willi Latz und der Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion, Peter Bauer, gemeinsam begeistert zeigten.

Seitdem ist Folgendes passiert: Peter Bauer ist nicht mehr Vorsitzender der SPD-Stadtratsfraktion und Torsten Schmeer nicht mehr Investor. Mehr nicht. Dabei sollte schon ab März 2018 auf dem 1,9 Hektar großen Gelände nichts Geringeres als ein neues Innenstadtquartier entstehen.

An der Stadtverwaltung liege das nicht, versichert Stadtpressesprecher Thomas Blug zwei Jahre nach dem gemeinsamen Auftritt von Politik und Investoren auf SZ-Anfrage. „Wir unterstützen die Bestrebungen, das ehemalige Becolin-Areal zu entwickeln, sehr“, versichert Blug. Bereits Ende 2016 habe die Eigentümergemeinschaft „in enger Abstimmung mit der Landeshauptstadt eine Mehrfachbeauftragung durchgeführt“. Das heißt: Vier Planungsteams haben städtebauliche Entwürfe zur neuen Nutzung des ehemaligen Becolin-Areals erarbeitet. Zielsetzung sei es gewesen, „ein städtebauliches Konzept für eine attraktive Quartiersbebauung zu entwickeln“. Dieses Konzept sollte auch „denkmalschutzrechtliche Gegebenheiten besonders berücksichtigen“.

Ein „beispielgebendes Quartier, das die aktuellen Anforderungen an modernes Arbeiten berücksichtigt“ sollte entstehen, inklusive Konzertsaal, wie Blug sagt. Der Siegerentwurf von Willi Latz sehe „Wohnen in untergeordnetem Maße im Rahmen der geltenden Lärmschutzbestimmungen vor allem entlang der Mainzer Straße vor“, sagt Blug. Der Entwurf könne aus Sicht der Stadt „nahezu eins zu eins umgesetzt werden“, versichert er.

Dafür habe die Stadt inzwischen „die wichtigen baurechtlichen Grundlagen“ gelegt. Für die Umsetzung des Siegerentwurfs seien nämlich die bislang geltenden Bebauungspläne „nicht geeignet“ gewesen. Am 30. Oktober 2018 hat der Stadtrat einstimmig den Aufstellungsbeschluss für den neuen Bebauungsplan gefasst.

Grundsätzlich sei ein größerer Anteil von Wohnungen sowohl aus Sicht des Investors als auch aus Sicht der Stadt wünschenswert, sagt Blug. „Aus städtebaulicher Sicht wäre das auch absolut sinnvoll. Aus Lärmschutzgründen ist das allerdings ausgesprochen schwierig“, sagt er. Die im Umfeld bereits existierenden Betriebe, zum Beispiel metallverarbeitende Firmen und Logistikunternehmen mit jeweils 24-Stunden-Betrieb, „weisen sehr hohe nächtliche Lärm-Emissionen auf“, erklärt Blug. Es sei daher „sehr schwierig, die für eine Wohnnutzung geltenden Lärmwerte in der Nacht einzuhalten“. Ein „entscheidendes Hindernis“ seien dabei „die sehr rigiden bundesweit geltenden Bestimmungen: das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm. „Der Lärmwert muss vor dem Fenster eingehalten werden. Lärmschutzfenster sind in diesem Fall nicht als Maßnahme zum Schutz vor Gewerbelärm zulässig – anders als zum Beispiel bei Verkehrslärm“, erklärt Blug.

Die Stadtverwaltung könne das Interesse des Investors nachvollziehen und unterstütze mehr Wohnungsbau auf dem Areal grundsätzlich. Daher prüfe das Baudezernat derzeit zwei Punkte. „Zum einen gehen wir nochmals vertieft der Frage nach, ob und in welcher Form weitere Wohnungen auf dem Areal unter den geltenden rechtlichen Bestimmungen umgesetzt werden könnten“, sagt Thomas Blug.

Zum anderen prüfe die Stadtverwaltung, „ob es rechtlich aussichtsreich ist, gemeinsam mit Mitstreitern, zum Beispiel der Architektenkammer, eine Initiative zur Änderung der bundesweit geltenden rechtlichen Regelungen ins Leben zu rufen“.

 Dieser 2017 vorgestellte Entwurf von Architekt Willi Latz sieht Wohnungen und Büros an der Mainzer Straße vor. 

Dieser 2017 vorgestellte Entwurf von Architekt Willi Latz sieht Wohnungen und Büros an der Mainzer Straße vor. 

Foto: Arus Architekten/Willi Latz

Voraussichtlich noch in diesem Monat beschäftigt sich die Dezernentenkonferenz, also die Spitze der Verwaltung unter Leitung der Oberbürgermeisterin, mit dem weiteren Vorgehen in Sachen ehemaliges Becolin-Gelände. Dann gibt es womöglich einen neuen Zeitplan.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort