So kann’s gehen Wacholderwalzer auf der Zunge

Auf seine Sinne darf man sich verlassen, oder? Unsere Autorin Ruth Rousselange hat da ihre eigenen Erfahrungen gemacht.

Sanft, weich und trotzdem von beeindruckender Herbheit, so sei er. Dabei betörend expressiv, keck spritzig und anregend. Auf der Zunge hinterlasse er eine feine Würze aus weißen Blüten, rosa Grapefruit und frecher Zitrone. Man giere nach ihm: „Man will auf der Stelle Hitze, will schwitzen, stöhnen, sich einen Platz im kühlen Schatten suchen und sich mit einem Fläschchen dieses Tropfens voller Freude die Kehle befeuchten.“ So steht es geschrieben, in einem Wein-Magazin, der Offerierte ist ein Rosé aus Südfrankreich. Offenbar agiert hier eine höchst kreative Werbe-Abteilung, die sowohl mit reichlich Fantasie gesegnet als auch im Umgang mit bildstarken Adjektiven beschlagen ist. Hoch erotisch, diese Anpreisung! Da wären selbst Anaïs Nin und Giacomo Casanova ergriffen. Und würden erwartungsvoll zur Weinflasche greifen.

Geschichten mag ich. Erzählt mir jemand von einem Getränk aus dem Zitronenspalten und Rosenblätter hervorlachen, dann schmecke ich das im Voraus. Dann bin ich animiert und will es probieren, unbedingt! Soviel Liebe zum ausdrucksvollen Wort, muss man da nicht schwach werden? Es mag albern sein, aber man nennt das Suggestion und sie funktioniert. Eine Art Synästhesie kommt zum Tragen, wie wenn man beim Erblicken der Farbe Grün spontan einen Geschmack von frischem Apfel auf der Zunge verspürt. Auch Kaffee hat seine interessanten Seiten. Besonders der, der nach dunkler Nuss, scharfer Chilischote und feuriger Vanille schmecken soll und bei dem man Hingabe an die zwiefach gerösteten Bohnen erahnen darf. Das Studieren von kulinarischen Magazinen macht hungrig. Ein Fauxpas allerdings, dass sich in meiner Küche nur noch eine Packung Tortellini findet. Deren Füllung erweist sich nach Entnahme aus dem Kochtopf als rosagrau gefärbt, der erhoffte Käse ist das nicht! Meine Geschmackssensoren ertasten eine erstaunliche Komposition aus erdiger Leberwurst, rauchiger Bratennote und berückender Himbeere. Verfeinert mit einem Quäntchen bissiger Zwiebel im Wacholderbett. Ach ja, ich mag Geschichten….

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