Denkmalsanierung im Völklinger Weltkulturerbe Zeitreise durch den Bauch der Alten Hütte

Völklingen · 230 000 Besucher, große Ausstellungen und Festivals: Daran hat das Weltkulturerbe Völklinger Hütte erinnert in seiner Rückschau auf 2018. Im vorigen Jahr hat sich aber auch viel getan mit Blick auf das Denkmal selbst.

 Reinigungskammern dicht an dicht: Hinter jeder Klappe verbergen sich lange senkrechte Baumwollschläuche. Sie dienten dazu, den Feinstaub aus dem so genannten Gichtgas zu filtern, das bei der Eisenerzeugung im Hochofen entstand.

Reinigungskammern dicht an dicht: Hinter jeder Klappe verbergen sich lange senkrechte Baumwollschläuche. Sie dienten dazu, den Feinstaub aus dem so genannten Gichtgas zu filtern, das bei der Eisenerzeugung im Hochofen entstand.

Foto: BeckerBredel

 Das wichtigste Ereignis des vorigen Jahres im Völklinger Weltkulturerbe? Generaldirektor Meinrad Grewenig überlegt beim Gespräch in seinem Büro keinen Augenblick. „Für mich war das die Eröffnung des neuen Zwangsarbeiter-Gedenkortes“, sagt er. Er sei sehr froh darüber, dass es gelungen sei, Christian Boltanski für das Projekt zu gewinnen, einen Künstler höchsten internationalen Ranges. Einen Künstler zudem, der sich besonders engagiere fürs Erinnern an Nazi-Verfolgte, auch wegen der eigenen Biografie.

Wichtig findet Grewenig auch die Entscheidung des Weltkulturerbe-Aufsichtsrates, dass der Wasserhochbehälter an der Rathausstraße künftig Eingang und Besucherzentrum werden soll. Ein Besucherzentrum, betont er, gehöre zu den Anforderungen der Unesco an jede  Weltkulturerbe-Stätte. Jedenfalls heute. „Wir sind ja noch ein Weltkulturerbe alter Ordnung.“ 1994, als die Alte Hütte aufgenommen wurde, seien die Prüfverfahren der internationalen Organisation noch einfacher und weniger aufwendig gewesen als heute. Doch die Unesco dränge nun darauf, dass auch ältere Welterbestätten sich heutigen Forderungen anpassen.

 Weltkulturerbe- Chef Meinrad Grewenig   Archivfoto:  Tobias Kessler

Weltkulturerbe- Chef Meinrad Grewenig Archivfoto: Tobias Kessler

Foto: Tobias Kessler

Das gelte ebenso für die Sanierung des Denkmals, auch die dürfe nicht stillstehen. 2016 habe man in Völklingen ein Großprojekt begonnen, 14 bis 15 Millionen Euro teuer – nämlich die Arbeit an den jahrelang abgesperrten Trockengasreinigungen (TGR). Gerade im vorigen Jahr sei man dabei ein großes Stück vorangekommen, sagt Grewenig: Die erste der drei Anlagen sei nun saniert. Statisch ertüchtigt. „Und dekontaminiert.“ Das sei die am stärksten vergiftete Stelle der gesamten Alten Hütte gewesen, abgesehen vom großen Platz. Die beiden anderen TGR sind noch eingerüstet, dort wird noch gearbeitet. „Wir sind die einzige Großanlage weltweit, die noch drei Trockengasreinigungen hat“, sagt Grewenig nicht ohne Stolz, „überall sonst sind sie abgerissen.“

Schon in dieser Saison sollen Gäste die TGR 2 besichtigen können, wenngleich erstmal nur  im Rahmen von Führungen. Und von 2020 an sollen sie dann auch auf eigene Faust hineinkönnen, das zugehörige Besucher-Konzept sei in Vorbereitung. Eine knifflige Aufgabe sei das, sagt Peter Backes, einer der Projektleiter im Weltkulturerbe-Team, der diese Konzept-Arbeit übernommen hat und uns beim SZ-Besuch begleitet: Es gebe auch nach der Sanierung noch Stellen, wo der Weg für Unkundige nicht ausreichend sicher sei, „da müssen wir uns was einfallen lassen“.

 Der Leitstand der Trockengasreinigung (TGR) 2 ist komplett im historischen Zustand erhalten. Das Völklinger Weltkulturerbe-Team will ihn, nach behutsamer Restaurierung, für Besucher öffnen. Ebenso authentisch haben die Waschräume der TGR-Mannschaft – gleich nebenan – die Jahrzehnte überdauert, einschließlich alter Fliesenböden.

Der Leitstand der Trockengasreinigung (TGR) 2 ist komplett im historischen Zustand erhalten. Das Völklinger Weltkulturerbe-Team will ihn, nach behutsamer Restaurierung, für Besucher öffnen. Ebenso authentisch haben die Waschräume der TGR-Mannschaft – gleich nebenan – die Jahrzehnte überdauert, einschließlich alter Fliesenböden.

Foto: BeckerBredel

Erstmal rein. Backes schließt das Pförtchen auf dem Gitterweg durchs Denkmal auf. Den Schlüssel zur TGR-Tür haben aber nur seine Kollegen aus der Technik-Abteilung; Gerald Verron kommt, um aufzusperren. Stählerne Gittertreppen rauf, bequemer Stufen-Rhythmus, hinzugefügt für die Denkmalbesucher – die originalen Treppchen fürs TGR-Personal taugen dafür nicht, es sind schmale, steile Hühnerleitern. Auf Gitterstegen außen rum, es bieten sich eindrucksvolle, zuvor ungesehene Perspektiven der  Hochofengruppe, der Möllerhalle. Schließlich rein – und auch wenn man aus den schon länger geöffneten Teilen der Hütte an Großartiges gewöhnt ist, hier kann man nur noch begeistert staunen. Und geht auf Zeitreise.

Eine hohe, helle Halle. Eiserne Kammern dicht an dicht, in strenger Gleichförmigkeit, genietete Klappen, Öffnungshebel, hier und da hat man freien Blick auf die Baumwollschläuche, die einst den Staub aus dem Hochofen-Gichtgas filterten. Endlose Batterie-Reihen in ausgeklügelter Anordnung. Ganz oben eine Rüttelmechanik – waren die Baumwollschläuche gefüllt, schüttelte sie den Staub heraus, erläutert Backes.

 Direkt neben den Hochöfen liegt die Trockengasreinigung 2. Sie ist inzwischen fertig saniert und dekontaminiert. Ihre Schwester-Anlagen Nummer 1 und 3 (im Hintergrund) sind noch eingerüstet. 

Direkt neben den Hochöfen liegt die Trockengasreinigung 2. Sie ist inzwischen fertig saniert und dekontaminiert. Ihre Schwester-Anlagen Nummer 1 und 3 (im Hintergrund) sind noch eingerüstet. 

Foto: BeckerBredel

„Es kommt noch besser“, sagt er schmunzelnd. Und behält Recht: Im Bauch der Halle stehen wir vor dem Leitstand, von dem aus die TGR-Mannschaft Gasdruck und andere Parameter regulieren konnte – sorgsam gestaltet, original erhalten. Ebenso authentisch die Wasch- und Aufenthaltsräume gleich nebenan. Da werde noch restauriert, sagt  Backes. Aber behutsam. Danach wird es vermutlich wirken,  als hätten die TGR-Männer eben erst Feierabend gemacht.

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